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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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sind?« entgegnete ich.
    Er sah mich vielsagend an.
    »Cher ami, wäre ich nicht einverstanden gewesen, wäre sie schrecklich zornig geworden, schreck-lich! Aber immerhin weniger als jetzt, da ich einverstanden bin.«
    Er war sehr zufrieden mit diesem Bonmot, und wir leerten an jenem Abend ein Fläschchen. Aber das war nur ein flüchtiger Augenblick; am Tag darauf war er schrecklicher und mürrischer als je zuvor.
    Am meisten ärgerte ich mich deshalb über ihn, weil er sich nicht einmal entschließen konnte, den inzwischen eingetroffenen Drosdows eine Visite abzustatten, die notwendig gewesen wäre, um die Bekanntschaft zu erneuern, was, wie man hörte, ihrem Wunsch entsprach, da sie sich bereits nach ihm erkundigt hatten, und wonach er selbst sich täglich sehnte. Von Lisaweta Nikolajewna sprach er mit einer mir unbegreiflichen Begeisterung. Ohne Zweifel dachte er dabei an das Kind, das er einst so sehr geliebt hatte; aber außerdem bildete er sich aus irgendeinem Grunde ein, daß er in ihrer Nähe augenblicklich Linderung seiner gegenwärtigen Qualen und sogar Klärung seiner ärgsten Zweifel finden würde. Er glaubte, in Lisaweta Nikolajewna müßte ihm ein ganz besonderes Wesen entgegentreten. Und dennoch ging er nicht hin, obwohl er es sich jeden Tag vornahm. Eigentlich war es so, daß ich selber damals brennend wünschte, ihr vorgestellt und empfohlen zu werden, wobei ich einzig und allein auf die Vermittlung von Stepan Trofimowitsch rechnen konnte. Der Eindruck, den unsere häufigen Begegnungen bei mir hinterlassen hatten, war außerordentlich – selbstverständlich auf der Straße, wenn sie im Reitkleid auf einem wunderschönen Pferd in Begleitung ihres, wie es hieß, Verwandten, eines gutaussehenden Offiziers, eines Neffen des seligen Generals Drosdow, spazierenritt. Meine Verblendung währte nur einen Atemzug (und ich sah sehr bald selbst die völlige Unmöglichkeit meines Traumes ein), aber wenn auch nur einen Atemzug lang, so hat sie doch wirklich bestanden, und deshalb kann man sich vorstellen, daß ich in jener Zeit über das Eremitenleben meines armen Freundes manchmal ziemlich ungehalten war.
    Die Unsrigen waren samt und sonders gleich am Anfang offiziell benachrichtigt worden, daß Stepan Trofimowitsch eine Zeitlang keine Besucher empfange und darum bitte, ihn auf keinen Fall zu stören. Er bestand trotz meiner Einwände auf einer Art Zirkularnote. Ich war es auch, der auf seine Bitte hin alle aufgesucht und allen erzählt hatte, Warwara Petrowna habe unseren »Alten« (so pflegten wir unter uns Stepan Trofimowitsch zu nennen) mit einer dringlichen Aufgabe betraut, er müsse nämlich eine Korrespondenz von mehreren Jahren ordnen; er sei in Klausur gegangen und ich sei ihm dabei behilflich und so weiter und so weiter. Nur für Liputin hatte die Zeit nicht gereicht, ich verschob den Besuch bei ihm von einem Tag auf den anderen – ehrlich gesagt, ich fürchtete mich davor. Ich wußte im voraus, daß er mir kein einziges Wort glauben, unbedingt ein ausgerechnet ihm vorenthaltenes Geheimnis wittern und, sobald ich mich verabschiedet hätte, sich aufmachen, durch die Stadt laufen, Erkundigungen einziehen und klatschen würde. Während mir dies alles noch durch den Kopf ging, wollte es der Zufall, daß ich ihm unversehens auf der Straße in die Arme lief. Es stellte sich heraus, daß er von den Unsrigen, die von mir soeben unterrichtet worden waren, alles bereits erfahren hatte. Aber seltsamerweise war er nicht nur keineswegs neugierig und stellte nicht nur keine Fragen nach Stepan Trofimowitsch, sondern, ganz im Gegenteil, er unterbrach mich, als ich mich entschuldigen wollte, daß ich ihn nicht schon früher aufgesucht hätte, und wechselte sofort das Thema. Freilich, es hatte sich inzwischen vieles angesammelt, was er zu erzählen hatte; er war in Hochstimmung und freute sich, in mir einen Zuhörer gefunden zu haben. Er sprach sogleich von den letzten Stadtneuigkeiten, vom Eintreffen der Gouverneursgattin mit »neuen Themen«, von der Opposition, die sich bereits im Club formiere, von der lautstarken allgemeinen Begeisterung für neue Ideen und wie diese jedem einzelnen zu Gesicht ständen und so weiter und so weiter. Er redete eine gute Viertelstunde lang, und zwar so amüsant, daß ich es nicht fertigbrachte, mich zu verabschieden. Obwohl ich ihn nicht ausstehen konnte, muß ich doch zugeben, daß er die Gabe besaß, Aufmerksamkeit zu erregen, besonders, wenn er aus irgendeinem Grunde erbost war.

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