Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
festhielt, fuhr fort, ihn zu ignorieren. Er suchte sich einen Platz an der Tür und folgte finster, mit strenger Miene, den Unterhaltungen. Nachdem er die Anspielungen auf die morgendlichen Ereignisse gehört hatte, begann er, irgendwie unruhig, sich nach allen Seiten zu drehen, bis sein Blick an dem Fürsten hängenblieb, offensichtlich von dessen gestärktem, hochstehendem Kragen gefesselt; dann schien er zusammenzufahren, und zwar, als er Pjotr Stepanowitschs Stimme hörte und den hereineilenden Pjotr Stepanowitsch sah; und kaum hatte Stepan Trofimowitsch seine Sentenz über die Sozialisten ausgesprochen, als er auf ihn zuging, indem er Ljamschin wegstieß, der sogleich mit gespieltem Staunen beiseite sprang, sich die Schulter rieb und zum Ausdruck brachte, man habe ihm schrecklich wehgetan.
»Genug!« sagte von Lembke, indem er energisch den erschrockenen Stepan Trofimowitsch bei der Hand faßte und sie mit aller Kraft in der seinen drückte. »Genug, die Flibustier unserer Zeit sind ermittelt. Kein Wort weiter. Die erforderlichen Maßnahmen sind getroffen …«
Er sprach laut, man hörte ihn im ganzen Raum, und schloß energisch. Sein Auftritt hinterließ einen peinlichen Eindruck. Etwas Unheimliches lag in der Luft. Ich sah, wie Julija Michajlowna erblaßte. Ein dummer Zufall verstärkte den allgemeinen Effekt. Nachdem Lembke verkündet hatte, die erforderlichen Maßnahmen seien getroffen, drehte er sich um die eigene Achse, in der Absicht, das Zimmer zu verlassen, stolperte aber nach ein paar Schritten über den Teppich, taumelte nach vorn und wäre beinahe gestürzt. Einen Augenblick blieb er stehen, starrte die Stelle, wo er gestolpert war, an, sagte laut: »Sofort ändern!« und ging zur Tür hinaus. Julija Michajlowna lief hinter ihm her. Sobald sie draußen war, erhob sich lautes Stimmengewirr, bei dem es kaum möglich war, etwas zu verstehen. Einige sagten, er sei »angegriffen«, andere, es sei »Veranlagung«, die dritten tippten mit dem Finger an die Stirn. In einer Ecke hielt Ljamschin zwei gespreizte Finger über die Stirn. Man deutete gewisse häusliche Spannungen an, alles natürlich flüsternd. Keiner griff nach dem Hut, alle warteten. Ich weiß nicht, was Julija Michajlowna hatte bewirken können, aber sie kehrte nach etwa fünf Minuten zurück, offensichtlich mit letzter Kraft bemüht, ruhig zu erscheinen. Sie antwortete ausweichend, Andrej Antonowitsch sei ein wenig erregt, es habe nichts zu sagen, sie wisse es »am besten«, man kenne das seit seiner Kindheit, das morgige Fest werde ihn zweifellos aufheitern. Dem folgten, wenn auch nur höflichkeitshalber, einige schmeichelhafte Worte an Stepan Trofimowitsch und eine laute Aufforderung an die Mitglieder des Komitees, jetzt, sofort, die Sitzung zu eröffnen. Da erst machten die nicht zum Komitee Gehörenden Anstalten aufzubrechen; aber die unheilvollen Abenteuer dieses verhängnisvollen Tages waren noch nicht zu Ende …
Noch im selben Augenblick, als Nikolaj Wsewolodowitsch eingetreten war, hatte ich bemerkt, daß Lisa ihm einen schnellen und aufmerksamen Blick zuwarf und ihn darauf lange reglos ansah – so lange, daß es schließlich auffiel. Ich hatte gesehen, wie Mawrikij Nikolajewitsch sich von hinten zu ihr herabbeugte, um ihr etwas zuzuflüstern, dann aber offensichtlich die Absicht änderte, sich rasch wieder aufrichtete und seinen Blick schuldbewußt über die Versammelten schweifen ließ. Auch Nikolaj Wsewolodowitsch erregte allgemeine Aufmerksamkeit: Sein Gesicht war blasser als sonst und der Blick ungewöhnlich zerstreut. Nachdem er seine Frage, gleich nach dem Eintreten, an Stepan Trofimowitsch gerichtet hatte, schien er ihn sofort zu vergessen, und ich glaube, daß er auch vergaß, die Dame des Hauses zu begrüßen. Lisa sah er nicht ein einziges Mal an – weniger mit Absicht, sondern weil er auch sie, behaupte ich, überhaupt nicht wahrnahm. Und plötzlich erklang in das Schweigen, das nach Julija Michajlownas Aufforderung eingetreten war, sogleich, ohne zu säumen, die letzte Sitzung zu eröffnen, Lisas helle, mit Bedacht erhobene Stimme. Sie rief plötzlich Nikolaj Wsewolodowitsch zu:
»Nikolaj Wsewolodowitsch, ich bekomme von irgendeinem Hauptmann, der sich für Ihren Verwandten ausgibt, den Bruder Ihrer Frau, namens Lebjadkin, ungebührliche Briefe, in denen er sich über Sie beklagt und mir anbietet, Ihre Geheimnisse zu enthüllen. Sollte er tatsächlich Ihr Verwandter sein, so verbieten Sie ihm, mich zu
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