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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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durchreisenden Fürsten mit Lorgnetten und von zehn Festordnern, lauter jungen Kavalieren mit Schleifen auf der linken Schulter; von irgendwelchen Inspirationen aus Petersburg; von Karmasinow, der um der höheren Einnahmen willen zugesagt habe, das »Merci« in den Kleidern einer Gouvernante aus unserem Gouvernement vorzutragen; von einer »literarischen Quadrille«, ebenfalls in Kostümen, deren jedes eine bestimmte Richtung darstellen werde. Und zum Schluß von dem »ehrlichen russischen Gedanken«, der, ebenfalls kostümiert, einen Tanz vorführen sollte – schon das eine gänzliche Novität. Wie hätte man sich nicht eintragen sollen? Alle haben sich eingetragen.
    II
    DER Festtag sollte laut Programm aus zwei Teilen bestehen: einer Matinee, von zwölf bis vier Uhr, und einem Ball, von neun Uhr abends an die ganze Nacht hindurch. Aber schon dieser Beschluß barg die Keime künftiger Unruhe. Erstens hatte sich im Publikum von Anfang an das Gerücht von einem Dejeuner verbreitet, unmittelbar nach der literarischen Matinee oder sogar während derselben, in der Pause, die eigens zu diesem Zweck eintreten sollte – einem Dejeuner, das selbstverständlich gratis war und im Programm inbegriffen, und zwar mit Champagner. Der horrende Preis für das Billett (drei Rubel) begünstigte die Verbreitung dieses Gerüchts. »Hätte ich mich denn eingetragen, wenn nichts dabei herausspringt? Das Fest soll vierundzwanzig Stunden dauern, da muß man dem Volk etwas vorsetzen. Das Volk kriegt Hunger« – so wurde bei uns raisoniert. Ich muß zugeben, daß Julija Michajlowna dieses unheilvolle Gerücht durch ihren Leichtsinn selbst verschuldet hatte. Vor ungefähr einem Monat, noch ganz verzaubert von dem großen Plan, hatte sie dem ersten besten von ihrem Fest vorgeschwärmt und eine Notiz, daß bei ihrem Fest auch Toasts ausgebracht werden sollten, an eine der Zeitungen der Metropole geschickt. Gerade diese Toasts hatten es ihr besonders angetan: Sie selbst wollte einige ausbringen und legte sich immerzu voller Erwartung irgend etwas zurecht. Sie sollten unser eigentliches Banner zeigen (welches Banner? Ich möchte wetten, daß die Ärmste gar nichts zu Papier gebracht hat), als Korrespondentenbericht von den Zeitungen der Metropole übernommen werden, die höchsten Stellen des Staates anrühren und bezaubern und allerorten Bewunderung und den Wunsch zur Nachahmung wecken. Für die Toasts braucht man unbedingt Champagner, und da man Champagner nicht auf leeren Magen trinken soll, ergab es sich gleichsam von selbst, daß ein Dejeuner unabdingbar war. Später, als dank ihrer Bemühungen ein Komitee zustande kam und die Sache ernst wurde, bewies man ihr sogleich und unbezweifelbar, daß, wenn man von einem Festschmaus träume, für die Gouvernanten herzlich wenig übrigbleiben würde, selbst bei üppigsten Einnahmen. Zweierlei Lösungen boten sich an: ein Belsazar - Gelage und Toasts, aber nur neunzig Rubel für die Gouvernanten oder Verwirklichung einer bedeutenden Summe und ein Fest sozusagen nur der Form nach. Das Komitee wollte ihr übrigens nur angst machen, denn es hatte natürlich einen dritten Vorschlag parat, einen versöhnlichen und vernünftigen, nämlich, ein in jeder Beziehung befriedigendes Fest, nur ohne Champagner, und auf diese Weise blieb eine durchaus ansehnliche Summe übrig: weit mehr als neunzig Rubel. Aber Julija Michajlowna war damit nicht einverstanden; sie war ein Charakter, der den spießbürgerlichen Mittelweg verachtete. Es war ihr auf der Stelle klar, daß man sich, wenn die erste Idee unausführbar wäre, unverzüglich und kompromißlos auf das strikte Gegenteil einstellen, das heißt zu Neid und Ärger sämtlicher Gouvernements kolossale Einnahmen verwirklichen müsse. »Das Publikum muß doch endlich einsehen«, schloß sie ihre flammenden Ausführungen vor dem Komitee, »daß das Erreichen allgemein menschlicher Ziele unvergleichlich erhabener ist als flüchtige leibliche Genüsse, daß unser Fest im Wesentlichen nichts anderes ist als die Verkündigung einer großen Idee und daß man sich deshalb mit einem sparsamen deutschen Bällchen begnügen muß, einer bloßen Allegorie sozusagen, wenn man schon einmal ohne diesen verwünschten Ball nicht auskommen kann!« – so sehr war er ihr plötzlich verhaßt. Aber es gelang schließlich doch, sie zu beruhigen: als man, zum Beispiel, auf die »literarische Quadrille« kam und auch andere ästhetische Genüsse als Ersatz für die leiblichen vorschlug;

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