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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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schien ihr selbst aus dem Wege zu gehen; ich sah ihn am Buffet, er war über die Maßen gut gelaunt). Aber sie blieb trotzdem und ließ Andrej Antonowitsch keinen Moment von ihrer Seite. Oh, bis zum letzten Augenblick hätte sie in aufrichtigster Empörung jede Anspielung auf seine Gesundheit zurückgewiesen, sogar noch heute vormittag. Aber jetzt waren ihr die Augen wohl auch in dieser Beziehung aufgegangen. Was mich betrifft, so glaubte ich auf den ersten Blick, Andrej Antonowitsch sähe schlechter aus als am Vormittag. Er schien irgendwie geistesabwesend und offenbar nicht genau zu wissen, wo er sich befand. Hin und wieder sah er sich plötzlich mit überraschender Strenge um, zum Beispiel ein paarmal auch in meine Richtung. Einmal versuchte er, etwas zu sagen, begann laut und vernehmlich, brach aber ab und jagte dadurch einem bescheidenen alten Beamten, der zufällig neben ihm stand, beinahe einen tödlichen Schrecken ein. Aber sogar dieser bescheidene Teil des Publikums, der in dem Weißen Saal versammelt war, wich Julija Michajlowna scheu und finster aus, wobei man höchst seltsame Blicke auf ihren Gatten warf, Blicke, prüfend und ungeniert, wie sie von so verängstigten Menschen kaum zu gewärtigen waren.
    »Und gerade dieser Umstand ging mir durch Mark und Bein, und ich begann plötzlich zu begreifen, wie es um Andrej Antonowitsch bestellt war«, gestand später Julija Michajlowna mir persönlich.
    Ja, und wiederum war sie schuld! Wahrscheinlich war sie vorher, nachdem ich geflohen und von ihr und Pjotr Stepanowitsch beschlossen worden war, daß der Ball stattfinden und man auf dem Ball erscheinen müsse, abermals im Kabinett des durch die »Matinee« endgültig »erschütterten« Andrej Antonowitsch gewesen, hatte abermals alle ihre Verführungskünste spielen lassen und ihn, betört wie er war, zum Mitgehen bewogen. Aber welche Pein mußte sie jetzt ertragen! Trotzdem ging sie nicht fort! War es der Stolz, der sie peinigte, oder hatte sie einfach den Kopf verloren – ich weiß es nicht. Sie ließ sich herab und versuchte lächelnd, und dies bei ihrem Hochmut, einige Damen anzusprechen, aber diese wurden sofort verlegen, beschränkten sich auf ein einsilbiges, mißtrauisches »Ja, wenn’s beliebt« und »Nein, wenn’s beliebt« und mieden sie sichtlich.
    Von den unbestrittenen Würdenträgern unserer Stadt fand sich auf dem Ball nur ein einziger ein – jener wichtigste General a. D., den ich bereits erwähnt habe und der im Hause der Adelsmarschallin nach dem Duell Stawrogins mit Gaganow »der Ungeduld der ganzen Gesellschaft die Schleusen öffnete«. Gravitätisch schritt er durch die Säle, sah sich alles an, hörte sich alles an und gab sich den Anschein, er sei gekommen, eher um die Sitten zu beobachten als zum ungetrübten Vergnügen. Schließlich heftete er sich an Julija Michajlownas Fersen, wich nicht von ihrer Seite und war sichtlich bemüht, ihr Mut zuzusprechen und sie zu beruhigen. Er war ohne Zweifel die Güte selbst, hochangesehen und schon so alt, daß man sich sogar sein Mitleid gefallen lassen konnte. Jedoch sich selbst eingestehen zu müssen, daß dieser alte Schwätzer es wagte, sie zu bedauern und beinahe zu protegieren, wobei er ihr durch seine Gegenwart auch noch eine Ehre zu erweisen glaubte – dies war doch sehr bitter. Der General aber wich nicht von ihrer Seite und schwatzte ununterbrochen.
    »Eine Stadt wird, wie man sagt, nicht ohne sieben Gerechte errettet … sieben, glaube ich … ich erinnere mich nicht mehr genau an die an-ge-ge-be-ne Zahl. Weiß nicht, welche von diesen sieben … unbestrittenen Gerechten unserer Stadt … die Ehre haben … bei Ihrem Ball anwesend zu sein, aber ungeachtet ihrer Anwesenheit … fühle ich mich langsam nicht ungefährdet. Vous me pardonnerez, charmante dame, n’est-ce pas ? Meine es al-le-go-risch, habe aber das Buffet aufgesucht und freue mich, unversehrt herausgekommen zu sein … Unser unschätzbarer Prochorytsch ist dort fehl am Platze, und gegen Morgen wird sein Aufbau wahrscheinlich in Trümmern liegen. Übrigens, ich scherze nur. Ich warte auf diese ›li-te-ra-rische Qua-dril-le‹, und dann ins Bett. Haben Sie Nachsicht mit dem alten Mann, den das Podagra plagt, aber ich pflege mich früh zur Ruhe zu begeben, und auch Ihnen möchte ich raten, aufzubrechen und dann ›in die Heia‹, wie man aux enfants sagt. Bin ja wegen der jungen Schönen hergekommen … die ich natürlich nirgends in so reicher Anzahl treffen

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