Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
könnte wie hier … Alle von der anderen Flußseite, wohin ich nie komme. Die Gattin eines Offiziers … ich glaube, von den Jägern … gar nicht übel, wirklich, und weiß es auch. Habe mich mit der kleinen Schelmin unterhalten; keck und … die jungen Mädchen sind auch sehr frisch, aber das ist auch alles. Habe immer noch mein Vergnügen. Einige Knöspchen darunter; nur die Lippen zu dick. Überhaupt ist in der russischen Schönheit des Frauengesichts wenig von dieser Regelmäßigkeit, die … und etwas von Pfannkuchen … Vous me pardonnerez, n’est-ce pas!, trotz schöner Augen … lachender Augen. Diese Knöspchen sind ein bis zwei Jahre lang in ihrer Jugend be-zau-bernd, sogar drei … ja, dann aber gehen sie für alle Zeiten in die Breite und bewirken bei ihrem Gatten jene bedauerliche In-diffe-renz, die in höchstem Maße die Entwicklung der Frauenfrage begünstigt … wenn ich diese Frage richtig verstehe … Hm. Der Saal ist gut; die Räume nicht übel eingerichtet; könnte schlechter sein. Die Musik könnte wesentlich schlechter sein … Ich sage nicht: sollte. Miserabler Effekt, zu wenig Damen da. Die Toiletten lasse un-er-wähnt. Miserabel, daß der da, in den grauen Beinkleidern, sich erlaubt, hemmungslos Cancan zu tanzen. Würde entschuldigen, wenn er es aus lauter Freude täte, zumal er. der hiesige Apotheker ist … Aber vor elf ist es selbst für einen Apotheker noch zu früh … Drüben, am Buffet, haben zwei gerauft und wurden nicht vor die Tür gesetzt. Vor elf Uhr müssen Raufbolde vor die Tür gesetzt werden, wie auch immer die Sitten des Publikums sind … Ich meine nicht drei Uhr nach Mitternacht, dann sind Zugeständnisse an die öffentliche Meinung unumgänglich – falls dieser Ball die dritte Morgenstunde erlebt. Warwara Petrowna hat ihr Wort übrigens nicht gehalten und keine Blumen gestiftet. Hm, hat jetzt anderes im Kopf als Blumen, pauvre mère. Und die arme Lisa, haben Sie schon gehört? Man spricht von einer geheimnisvollen Geschichte und … in der Arena wieder Stawrogin … Hm. Würde am liebsten nach Hause fahren und schlafen … Mir fallen förmlich die Augen zu. Wann kommt diese ›li-te-ra-ri-sche Quadrille‹?«
Endlich war es soweit, und die »literarische Quadrille« begann. Wenn in der letzten Zeit irgendwo in der Stadt von dem bevorstehenden Ball gesprochen wurde, war sofort unausbleiblich von dieser »literarischen Quadrille« die Rede gewesen, und da sich niemand vorstellen konnte, was darunter zu verstehen sei, sah man ihr mit übermäßiger Spannung entgegen. Es gibt nichts Gefährlicheres für den Erfolg, und – die Enttäuschung war unvorstellbar!
Die Seitentüren des Weißen Saales, die bis dahin geschlossen waren, öffneten sich, und plötzlich erschienen einige Masken. Das Publikum umringte sie mit wahrer Gier. Das gesamte Buffet bis auf den letzten Mann drängte in den Saal. Die Masken stellten sich in Positur, um den Tanz zu beginnen. Mir gelang es, mich nach vorn zu drängen und einen Platz unmittelbar hinter Julija Michajlowna, von Lembke und dem General zu ergattern. Auf einmal sprang Pjotr Stepanowitsch, der bis dahin verschollen war, auf Julija Michajlowna zu.
»Ich war die ganze Zeit am Buffet und habe beobachtet«, flüsterte er mit der geschickt imitierten Miene eines schuldbewußten Schülers, um sie noch mehr zu reizen. Sie brauste zornig auf.
»Wenn Sie mich wenigstens jetzt nicht hintergehen wollten, Sie dreister Mensch!« entfuhr es ihr so laut, daß das Publikum es hörte. Pjotr Stepanowitsch suchte das Weite, höchst zufrieden mit sich selbst.
Schwerlich könnte man sich eine jämmerlichere, plattere, einfallslosere, fadere Allegorie vorstellen als diese »literarische Quadrille«. Man hätte schwerlich auf etwas verfallen können, das für unser Publikum weniger geeignet gewesen wäre; indessen soll sie von Karmasinow höchstpersönlich erdacht worden sein. In Szene gesetzt hatte sie freilich Liputin, mit Hilfe jenes hinkenden Lehrers, der an dem Abend bei Wirginskij anwesend war. Aber Karmasinow hatte immerhin die Idee geliefert und sich sogar, wie man hörte, bereit erklärt, kostümiert aufzutreten und eine eigene, ganz besondere Rolle zu übernehmen. Die Quadrille bestand aus sechs Paaren jämmerlicher Masken, die nicht einmal richtig kostümiert waren, weil sie die gleiche Kleidung trugen wie alle. Da gab es zum Beispiel einen bejahrten Herrn, mittelgroß, im Frack, das heißt genau so wie alle gekleidet, mit
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