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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Andrej Antonowitsch fühlt sich, glaube ich, kaum zu-frie-den-stel-lend … Wollen wir nicht dem Schlimmsten aus dem Wege gehen?«
    Aber es war bereits zu spät.
    Während der Quadrille hatte Andrej Antonowitsch den Tanzenden irgendwie staunend und verärgert zugeschaut, begann aber sich beunruhigt umzusehen, sobald die Stimmen aus dem Publikum laut wurden. Da fielen ihm zum ersten Mal einige Individuen auf, Dauergäste aus dem Buffet; sein Blick drückte außerordentliche Verwunderung aus. Plötzlich erschallte lautes Gelächter über ein Kunststück in der Quadrille: Der Herausgeber der »furchteinflößenden, nicht in Petersburg erscheinenden Zeitung«, der mit dem Knüppel tanzte, spürte nun endgültig, daß er der Brille des »ehrlichen russischen Gedankens« nicht standhalten konnte, und lief, da er nicht wußte, wo er sich vor ihr verstecken sollte, plötzlich, während der letzten Tanzfigur, auf den Händen der Brille entgegen, was unter anderem auch das ständige Verdrehen und Auf-den-Kopf-Stellen des gesunden Menschenverstandes in der »furchteinflößenden, nicht in Petersburg erscheinenden Zeitung« symbolisieren sollte. Da Ljamschin der einzige war, der auf den Händen laufen konnte, hatte er sich um die Rolle des Herausgebers mit dem Knüppel beworben. Julija Michajlowna hatte nicht im geringsten geahnt, daß jemand auf den Händen laufen sollte. »Man hat es mir verheimlicht, verheimlicht«, wiederholte sie später vor mir, verzweifelt und empört. Das Gelächter des Publikums galt natürlich nicht der Allegorie, um die sich kein Mensch kümmerte, sondern dem Laufen auf Händen, in Frack mit Schwalbenschwänzen. Lembke kochte vor Zorn und zitterte.
    »Schurke!« schrie er und zeigte auf Ljamschin. »Packt den Lump! Dreht ihn um! Dreht ihn mit den Beinen um … damit der Kopf … Kopf nach oben! Nach oben!«
    Ljamschin sprang auf die Füße. Das Gelächter wurde lauter.
    »Schmeißt alle die Lumpen raus, die hier lachen!« kommandierte Lembke plötzlich. In der Menge begann es zu grollen und zu tosen.
    »So geht es nicht, Euer Exzellenz.«
    »Das Publikum darf nicht beschimpft werden!«
    »Selber blöd!« ertönte es aus einer Richtung.
    »Flibustier!« rief jemand aus der entgegengesetzten Ecke.
    Lembke wandte sich schnell nach der Stimme um und wurde leichenblaß. Ein stumpfsinniges Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen – als ginge ihm plötzlich ein Licht auf und als fiele ihm etwas ein.
    »Meine Herrschaften«, wandte sich Julija Michajlowna an die herandrängende Menge, indem sie ihren Mann hinter sich herzuziehen versuchte, »meine Herrschaften, haben Sie Nachsicht mit Andrej Antonowitsch, Andrej Antonowitsch fühlt sich nicht wohl … haben Sie Nachsicht … verzeihen Sie ihm, meine Herrschaften!«
    Ich habe wörtlich gehört, wie sie sagte: »Verzeihen Sie.« Die Szene spielte sich sehr schnell ab. Aber ich erinnere mich ganz genau, daß ein Teil des Publikums zur selben Zeit schon aus dem Saal strömte, gleichsam erschrocken, unmittelbar nach diesen Worten Julija Michajlownas. Ich erinnere mich sogar an den hysterischen Aufschrei einer in Tränen ausbrechenden Frau:
    »Ach, wieder wie am Vormittag!«
    Und plötzlich schlug in dieses beginnende Gedränge abermals eine Bombe ein, gerade »wieder wie am Vormittag«:
    »Feuer! Saretschje brennt!«
    Ich kann mich nur nicht erinnern, wo dieser entsetzliche Schrei zum ersten Mal ertönte: in den Sälen oder im Flur, als jemand, wie es mir heute vorkommt, die Treppe hinaufrannte und rief – jedenfalls brach daraufhin eine solche Panik aus, daß ich sie nicht zu schildern vermag. Über die Hälfte des zum Ball versammelten Publikums kam aus Saretschje – entweder Besitzer der dortigen Holzhäuser oder deren Bewohner. Man stürzte an die Fenster, zog die Gardinen zurück und riß die Rouleaus herunter. Der Stadtteil jenseits des Flusses stand in Flammen. Allerdings, das Feuer war gerade erst ausgebrochen, aber es brannte an drei weit auseinanderliegenden Stellen – das war es, was alle in Schrecken versetzte.
    »Brandstiftung! Die Schpigulinschen!« schrie man in der Menge.
    Ich habe mir einige äußerst charakteristische Ausrufe gemerkt:
    »Mein Herz hat es ja geahnt, daß sie Feuer legen … Die ganzen letzten Tage hat es das geahnt!«
    »Die Schpigulinschen, die Schpigulinschen, niemand anders kann es sein!«
    »Man hat uns absichtlich hier versammelt, um dort Feuer zu legen!«
    Dieser letzte, erstaunliche Aufschrei einer Frauenstimme

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