Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Wille vonnöten, der sich auf etwas stützt, das nicht zufällig ist und drübersteht … Dann werden auch die Fünfergruppen den Schwanz des Gehorsams einziehen und sich, sklavisch ergeben, bei Gelegenheit als brauchbar erweisen. Wie dem auch sei, wenn jetzt an jeder Ecke herausposaunt wird, Stawrogin habe es nötig gehabt, seine Frau zu verbrennen und die Stadt zu diesem Zweck in Flammen aufgehen zu lassen, so sind Sie doch …«
»Wirklich schon an jeder Ecke?«
»Das heißt eigentlich noch nicht, und ich muß gestehen, daß ich kein Wort darüber gehört habe, aber wer will schon das Volk kennen, besonders nach einer Feuersbrunst: Vox populi vox Dei . Was kostet es schon, das dümmste Gerücht in den Wind zu streuen? … Aber im Grund haben Sie ja nichts zu befürchten. Vor dem Gesetz stehen Sie völlig schuldlos da und vor Ihrem Gewissen ebenso – Sie haben es nicht einmal gewünscht? Doch nicht einmal gewünscht? Keinerlei Indizien, alles nur Zufall … Schlimmstenfalls könnte sich Fedjka an Ihre unbedachten Worte erinnern, damals, bei Kirillow (warum bloß mußten Sie das damals sagen?), aber das beweist überhaupt nichts, und Fedjka werden wir zum Schweigen bringen. Ich werde ihn heute noch zum Schweigen bringen …«
»Die Leichen sind also nicht verbrannt?«
»Keineswegs; diese Kanaille hat nichts so ausgeführt, wie es sich gehört. Aber ich bin wenigstens froh, daß Sie so ruhig sind, denn obwohl Sie keinerlei Schuld trifft, weder für Ihre Tat noch für Ihre Gedanken, ist es doch immerhin … Außerdem müssen Sie zugeben, daß dadurch Ihre Angelegenheiten eine großartige Wendung nehmen: Plötzlich sind Sie frei, Witwer und können im selben Augenblick eine wunderschöne junge Dame mit riesigem Vermögen ehelichen, die obendrein bereits in Ihren Händen ist. Was nicht alles ein einfaches, plattes Zusammentreffen von Umständen bewirken kann – nicht wahr?«
»Sie drohen mir, Sie Hohlkopf?«
»Aber ich bitte, ich bitte, so schnell bei der Hand mit dem Hohlkopf! Und was ist das für ein Ton? Sie sollten sich freuen, statt dessen … Ich fliege extra hierher, um Sie so bald wie möglich zu unterrichten … Und womit könnte ich Ihnen drohen? Was hätte ich davon, wenn ich Ihnen drohen würde? Ich brauche Ihren guten Willen und nicht Ihre Angst. Sie sind das Licht und eine Sonne … Ich bin es, der vor Ihnen furchtsam zittert, und nicht Sie vor mir! Ich bin doch nicht Mawrikij Nikolajewitsch … Stellen Sie sich vor, ich fliege hierher, in meiner Droschke, und Mawrikij Nikolajewitsch ist hier, an Ihrem Parkgitter, an der hinteren Ecke … im Mantel, durch und durch naß, wahrscheinlich hat er die ganze Nacht dort gesessen! Das reinste Wunder! Wie weit reicht doch der menschliche Wahnsinn!«
»Mawrikij Nikolajewitsch? Ist das wahr?«
»Es ist wahr, wirklich wahr. Er sitzt am Parkgitter. Von hier – etwa dreihundert Schritt, glaube ich. Ich wollte schnell an ihm vorbei, aber er hat mich gesehen. Wußten Sie das nicht? Dann bin ich froh, daß ich nicht vergessen habe, es Ihnen zu erzählen. Denn so einer ist besonders gefährlich, wenn er einen Revolver bei sich trägt. Und schließlich ist es Nacht, die Nässe, die begreifliche Gereiztheit – was sind das für Umstände! Ha-ha-ha! Was glauben Sie, warum sitzt er da?«
»Er wartet auf Lisaweta Nikolajewna, versteht sich.«
»So-o was! Warum sollte sie zu ihm hinausgehen? Und … bei diesem Regen … Dummkopf!«
»Sie wird gleich zu ihm hinausgehen.«
»Oho! Das ist aber eine Neuigkeit! Folglich … Aber hören Sie, ihre Lage hat sich doch jetzt vollkommen geändert! Wozu braucht sie jetzt noch diesen Mawrikij? Sie sind doch frei, Witwer und können sie gleich morgen heiraten? Sie weiß es noch nicht – überlassen Sie das mir. Ich werde es für Sie sofort arrangieren. Wo ist sie? Sie soll sich auch über die gute Nachricht freuen.«
»Freuen?«
»Aber ja. Lassen Sie uns zu ihr gehen.«
»Und Sie glauben, daß sie nichts merken wird, wenn sie von diesen Leichen hört?« Stawrogins Augen wurden plötzlich ganz schmal.
»Selbstverständlich wird sie nichts merken.« Pjotr Stepanowitsch spielte nun entschieden den Hanswurst. »Denn vom juristischen Standpunkt … O je! Und wenn sie’s auch merken würde! Bei den Frauen verwischt sich so was wunderbar, Sie kennen die Frauen noch nicht! Außerdem muß ihr doch jetzt einiges daran liegen, Sie zu heiraten, denn immerhin hat sie sich jetzt kompromittiert, außerdem habe ich
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