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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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mir die reine Wahrheit!« rief er in tiefem Leid: »Als du gestern meine Tür geöffnet hast, wußtest du da, daß du sie nur für eine Stunde öffnest?«
    Sie sah ihn haßerfüllt an:
    »Es stimmt, der ernsthafteste Mann stellt die unmöglichsten Fragen. Warum machen Sie sich so viele Gedanken? Etwa aus Eitelkeit, weil eine Frau Sie als erste verläßt, statt von Ihnen verlassen zu werden? Wissen Sie, Nikolaj Wsewolodowitsch, seit ich hier bin, mußte ich mich unter anderem davon überzeugen, daß Sie sich mir gegenüber entsetzlich großmütig verhalten, und gerade das kann ich von Ihnen nicht ertragen.«
    Er erhob sich von seinem Platz und machte einige Schritte durchs Zimmer.
    »Gut, mag es sein, daß es auf diese Weise enden soll … Aber wie konnte das alles geschehen?«
    »Sorgen! Dabei, das ist die Hauptsache, können Sie es sich an den Fingern abzählen und durchschauen es besser als alle auf der Welt und haben es darauf angelegt. Ich bin eine junge Dame, mein Herz wurde in der Oper erzogen, damit hat es angefangen, das ist des Rätsels Lösung.«
    »Nein.«
    »Da ist nichts, was Ihre Eitelkeit verletzten könnte, und alles ist die reinste Wahrheit. Angefangen hat es mit einem schönen Augenblick , den ich nicht ertragen konnte. Vorgestern, als ich Sie vor aller Welt ›beleidigte‹ und Sie mir wie ein wahrer Ritter antworteten, fuhr ich nach Hause und wußte sofort, daß Sie mich deshalb gemieden haben, weil Sie verheiratet sind, und keineswegs aus Geringschätzung, was ich als junge Dame von Welt am allermeisten fürchtete. Ich begriff, daß Sie mich, die Törin, gerade schonen wollten, indem Sie mich mieden. Sie sehen, wie sehr ich Ihre Großmut schätze. Da fand sich Pjotr Stepanowitsch ein und erklärte mir auf der Stelle alles. Er vertraute mir an, daß eine große Idee Sie bewege, vor der wir beide, er und ich, ein absolutes Nichts seien, daß ich trotzdem Ihnen im Wege stehe. Sich selbst rechnete er irgendwie dazu; er sah uns unbedingt zu dritt und redete die märchenhaftesten Dinge zusammen, von einem Kahn und Rudern aus Ahornholz, aus einem russischen Volkslied. Ich lobte ihn, sagte, er sei ein Poet, und das nahm er für bare Münze. Und da ich ohnehin schon seit langem wußte, daß ich nur für einen Moment ausreiche, habe ich mich entschlossen. Das ist alles, und es genügt, und künftig bitte keine Aussprachen mehr. Sonst werden wir uns auch noch zerstreiten. Fürchten Sie niemand, ich nehme alles auf mich. Ich bin schlecht, launisch, ich habe mich von einem Opernkahn verleiten lassen, ich bin eine junge Dame von Welt … Und wissen Sie, ich habe trotz allem geglaubt, daß Sie mich schrecklich lieben. Verachten Sie die dumme Gans nicht, und spotten Sie nicht über das Tränchen, das gerade heruntertropft. Ich weine gern aus Mitleid mit mir selbst. Nun ist es genug, genug. Ich bin zu nichts fähig, und Sie sind zu nichts fähig; zwei Nasenstüber, auf jeder Seite einer, damit können wir uns trösten. Wenigstens keine verletzte Eitelkeit.«
    »Ein böser Traum, ein Wahn!« rief Nikolaj Wsewolodowitsch aus, indem er händeringend im Zimmer auf und ab schritt. »Lisa, du Arme, was hast du dir angetan?«
    »An der Kerzenflamme verbrannt, sonst nichts. Sie werden doch nicht auch weinen? Wahren Sie den Anstand, wahren Sie Ihre Härte! …«
    »Warum, warum bist du zu mir gekommen?«
    »Wollen Sie nicht endlich begreifen, in welche komische Lage Sie sich vor der Meinung der Welt mit solchen Fragen bringen?«
    »Warum hast du dich zugrunde gerichtet, so gräßlich und so töricht? Und was sollen wir jetzt tun?«
    »Und das ist Stawrogin, der ›blutrünstige Stawrogin‹, wie Sie von einer hiesigen Dame genannt werden, die in Sie verliebt ist! Hören Sie, ich habe Ihnen doch schon gesagt: Ich habe mein Leben nur auf eine einzige Stunde veranschlagt und bin ruhig. Veranschlagen Sie das Ihre auch auf eine Stunde … Allerdings haben Sie dazu keinen Grund; für Sie wird es noch viele verschiedene ›Stunden‹ und ›Augenblicke‹ geben.«
    »Ebenso viele wie für dich. Du hast mein letztes Wort, nicht eine Stunde mehr als für dich!«
    Er ging noch immer auf und ab und sah ihren schnellen, durchdringenden Blick nicht, in dem plötzlich eine Hoffnung aufleuchtete. Aber der Lichtstrahl erlosch sogleich.
    »Wenn du nur den Preis meiner augenblicklich nicht möglichen Aufrichtigkeit kennen würdest, wenn ich dir nur entdecken könnte …«
    »Entdecken? Sie möchten mir etwas entdecken? Gott bewahre

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