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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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mich vor Ihren Entdeckungen!« unterbrach sie ihn beinahe erschrocken.
    Er hielt inne und wartete unruhig.
    »Ich will Ihnen gestehen, daß ich schon damals, noch in der Schweiz, den Gedanken nicht los wurde, Sie müßten etwas Grauenhaftes, Schmutziges und Blutiges auf dem Gewissen haben, das … das Sie gleichzeitig entsetzlich lächerlich erscheinen läßt. Hüten Sie sich, mir etwas zu entdecken, wenn das wahr ist: Ich werde mich über Sie totlachen. Ich werde über Sie lachen, solange Sie leben … Ach, Sie erbleichen schon wieder! Schon gut, schon gut, ich gehe sofort.« Sie sprang mit einer angewiderten verächtlichen Geste auf.
    »Quäle mich, strafe mich! Laß deinen Zorn an mir aus!« rief er in Verzweiflung. »Du hast das volle Recht darauf! Ich wußte, daß ich dich nicht liebe, und habe dich zugrunde gerichtet. Ja, ich habe den ›Augenblick wahrgenommen‹; ich hatte die Hoffnung, daß … schon seit langem … die letzte … Ich konnte dem Licht, das mein Herz erhellte, nicht widerstehen, als du gestern bei mir eintratest, von dir aus, ganz allein, als erste. Ich glaubte plötzlich … Ich glaube vielleicht immer noch.«
    »Solch edle Offenheit möchte ich mit gleichem vergelten: Ich will nicht Ihre barmherzige Schwester sein. Vielleicht werde ich wirklich Krankenpflegerin, wenn es mir nicht gelingt, heute noch rechtzeitig zu sterben, und wenn ich es würde, so doch nicht für Sie, obgleich Sie es natürlich mit jedem Beinlosen oder Armlosen aufnehmen können. Ich habe schon immer geglaubt, Sie würden mich irgendwohin führen, wo eine riesige, bösartige Spinne haust, menschengroß, und wir müßten sie, solange wir leben, sehen und uns vor ihr fürchten. Und unsere Liebe würde darüber vergehen. Sprechen Sie mit Daschenka; die wird Ihnen überallhin folgen.«
    »Sogar jetzt bringen Sie es nicht fertig, sie zu vergessen?«
    »Das arme Hündchen! Grüßen Sie sie. Ob sie wohl weiß, daß sie bereits in der Schweiz von Ihnen als Altenpflegerin auserkoren wurde? Welch eine Vorsorge! Welch eine Umsicht! Ach, wer ist da?«
    In der Tiefe des Saales öffnete sich vorsichtig eine Tür; ein Kopf erschien, um eilig wieder zu verschwinden.
    »Bist du es, Alexej Jegorytsch?« fragte Stawrogin.
    »Nein, ich bin’s nur.« Pjotr Stepanowitsch streckte wieder den Oberkörper durch den Türspalt.
    »Einen schönen guten Tag, Lisaweta Nikolajewna; jedenfalls einen schönen guten Morgen. Ich dachte mir, daß ich Sie beide in diesem Saal finden würde. Nur einen Augenblick, Nikolaj Wsewolodowitsch – äußerst dringend, ich bin hergeeilt nur auf ein paar Worte … unbedingt … nur auf ein paar Worte!«
    Stawrogin wollte schon hinausgehen, kehrte aber nach drei Schritten wieder zu Lisa zurück.
    »Wenn du gleich etwas hören wirst, Lisa, mußt du wissen: Ich bin schuldig.«
    Sie schauerte und sah ihn furchtsam an; aber er ging hastig hinaus.
    II
    DER Raum, aus dem Pjotr Stepanowitsch in den Saal gespäht hatte, war ein großes ovales Vorzimmer. Hier saß, als er kam, Alexej Jegorytsch, aber er hatte ihn fortgeschickt. Nikolaj Wsewolodowitsch zog die Tür zum Saal hinter sich zu und blieb abwartend stehen. Pjotr Stepanowitsch musterte ihn mit einem raschen, neugierigen Blick.
    »Also?«
    »Das heißt, wenn Sie es denn schon wissen«, begann Pjotr Stepanowitsch überstürzt, wobei er sich am liebsten mit den Augen in dessen Seele gebohrt hätte, »es trifft selbstverständlich keinen von uns eine Schuld, am wenigsten Sie, weil ein solches Zusammentreffen … eine solche Häufung von Zufällen … mit einem Wort, es ist juristisch für Sie ohne Belang, und ich bin hergeeilt, um Sie zu informieren.«
    »Verbrannt? Ermordet?«
    »Ermordet, aber nicht verbrannt, das ist ja das Schlimme, aber ich bin auch daran unschuldig, Ehrenwort, falls Sie mich verdächtigen – weil Sie mich vielleicht doch verdächtigen, nicht wahr? Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen: Sehen Sie, ich hatte tatsächlich vorübergehend die Idee – Sie haben mir diese Idee selbst zugeflüstert, nicht im Ernst, sondern nur, um mich zu provozieren (weil Sie doch nie jemand etwas im Ernst zuflüstern würden) –, aber ich konnte mich dazu nicht entschließen, und ich hätte mich auch um keinen Preis dazu entschlossen, nicht für hundert Rubel – es hätte ja auch keinerlei Gewinn gebracht, das heißt nicht für mich, nicht für mich …« (Er hatte es furchtbar eilig, und es klang wie eine Ratsche.) »Aber sehen Sie, was für eine Häufung

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