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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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erklärte plötzlich Wirginskij.
    Alle erhoben sich. Es wurde beschlossen, sich morgen um die Mittagszeit noch einmal zu verständigen und endgültige Absprachen zu treffen, wenn auch nicht bei einer Zusammenkunft, sondern durch Boten. Der Ort, wo die Druckerpresse vergraben war, wurde genau bezeichnet, die Rollen und Aufgaben verteilt. Liputin und Pjotr Stepanowitsch machten sich unverzüglich gemeinsam auf den Weg zu Kirillow.
    II
    ALLE Unsrigen glaubten, Schatow würde sie verraten; aber sie glaubten ebenfalls, Pjotr Stepanowitsch spiele mit ihnen wie mit Bauern auf dem Schachbrett. Und außerdem wußten sie alle, daß sie trotzdem morgen vollzählig zur Stelle sein würden und daß Schatows Schicksal entschieden sei. Sie ahnten, daß sie sich plötzlich wie Fliegen im Netz einer riesigen Spinne verfangen hatten; sie waren wütend, aber sie schlotterten vor Angst.
    Pjotr Stepanowitsch hatte sich ihnen gegenüber zweifellos einiges zuschulden kommen lassen: Alles wäre wesentlich harmonischer und leichter vonstatten gegangen, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, die Wirklichkeit wenigstens ein bißchen zu beschönigen. Anstatt die Tatsache in einem rechtschaffenen Licht darzustellen, als etwas Römisch-Republikanisches oder so ähnlich, setzte er auf die primitive Angst und die Gefahr für die eigene Haut, was schlechterdings unhöflich war. Natürlich, überall herrscht der Kampf ums Dasein, und ein anderes Prinzip steht nicht zur Wahl, das ist allgemein bekannt, aber immerhin …
    Aber Pjotr Stepanowitsch fehlte die Muße, um die alten Römer zu inkommodieren; er war selbst aus der Bahn geschleudert worden. Stawrogins Flucht hatte ihn bestürzt und niedergeschmettert. Er hatte gelogen, als er erwähnte, Stawrogin sei beim Vizegouverneur gewesen; das war ja das Schlimme, daß Stawrogin abgereist war, ohne sich von jemand, nicht einmal von seiner Mutter, verabschiedet zu haben – und es war wirklich sonderbar, daß man ihn nicht im geringsten behelligte. (Später hatten die Behörden diesen Umstand zu verantworten.) Pjotr Stepanowitsch hatte den ganzen Tag versucht, etwas in Erfahrung zu bringen, hatte aber bis jetzt keinen Erfolg gehabt und war noch nie so beunruhigt gewesen. War es denkbar, ja, war es denkbar, daß er einfach so, plötzlich, auf Stawrogin verzichtete? Das war der Grund, daß er mit den Unsrigen nicht übermäßig rücksichtsvoll umgesprungen war. Außerdem waren ihm durch sie die Hände gebunden: Er hatte schon beschlossen, Stawrogin umgehend nachzueilen, indessen wurde er aufgehalten, wegen Schatow, wegen der Fünfergruppe, die endgültig zusammengeschweißt werden mußte, für jeden Fall. “Man kann sie doch nicht so mir nichts, dir nichts aufgeben. Vielleicht wird man sie noch eines Tages brauchen.” So könnte er, nehme ich an, bei sich gedacht haben.
    Was Schatow betraf, so war er vollkommen sicher, daß dieser denunzieren werde. Er hatte zwar gelogen, als er den Unsrigen von einer Anzeige berichtete: Von einer Anzeige hatte er niemals etwas gesehen oder gehört, aber er war davon überzeugt wie von zwei mal zwei gleich vier, und zwar glaubte er, daß Schatow die jetzige Situation, den Tod Lisas, den Tod Marja Timofejewnas, auf keinen Fall ertragen und jetzt endlich einen Entschluß fassen würde. Wer weiß, vielleicht hatte er auch Gründe zu einer solchen Vermutung. Es ist bekannt, daß er Schatow persönlich haßte; sie hatten sich irgendwann einmal überworfen, und Pjotr Stepanowitsch vergaß eine Beleidigung niemals. Ich für mein Teil bin sogar überzeugt, daß gerade darin der Hauptgrund zu suchen ist.
    Die Trottoirs bei uns sind sehr schmal, bestehen aus Ziegeln und hier und da einfach aus Holz. Pjotr Stepanowitsch schritt in der Mitte des Trottoirs aus, nahm es für sich allein in Anspruch, ohne jede Rücksicht auf Liputin, für den kein Platz blieb, so daß dieser entweder einen Schritt hinter ihm her eilen oder, wenn man sich unterhalten wollte, auf dem Fahrweg mitten durch den Kot waten mußte. Pjotr Stepanowitsch fiel plötzlich ein, wie er vor kurzem ebenso durch den Kot hasten mußte, hinter Stawrogin her, der, wie jetzt er selber, in der Mitte des Trottoirs ausschritt und dessen ganze Breite für sich in Anspruch nahm. Er vergegenwärtige sich diese ganze Szene, und es verschlug ihm vor Wut den Atem.
    Aber auch Liputin verschlug es den Atem, er war beleidigt. Mochte Pjotr Stepanowitsch mit den Unsrigen nach Lust und Laune umspringen, aber doch nicht mit ihm! Wußte er

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