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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Schigaljow.
    »Es ist seine Handschrift«, bestätigten Liputin und Tolkatschenko (der »Kenner des Volkes«).
    »Lediglich zur Kenntnisnahme und weil ich weiß, daß Sie aus Mitleid mit Lebjadkin zerfließen«, wiederholte Pjotr Stepanowitsch, als er den Brief wieder an sich nahm. »Auf diese Weise, meine Herren, kann irgendein Fedjka uns ganz zufällig von einem gefährlichen Menschen befreien. So spielt manchmal der Zufall! Lehrreich, nicht wahr?«
    Die Mitglieder wechselten einen raschen Blick.
    »Und jetzt, meine Herren, ist die Reihe zu fragen an mir«, Pjotr Stepanowitsch nahm eine würdevolle Haltung an. »Darf ich erfahren, was Sie veranlaßt hat, ohne Genehmigung in der Stadt Feuer zu legen?«
    »Was soll denn das! Wir, wir sollen in der Stadt Feuer gelegt haben?« riefen die Anwesenden.
    »Ich verstehe ja, daß Sie auf den Geschmack gekommen sind«, fuhr Pjotr Stepanowitsch unbeirrt fort, »aber das ist nun doch etwas anderes als die Skandalgeschichten um Julija Michajlowna. Ich habe Sie hierhergebeten, meine Herren, um Sie über die Gefahr aufzuklären, in die Sie sich dummerweise begeben haben und die für manches andere eine Bedrohung bedeutet, nicht nur für Sie persönlich.«
    »Erlauben Sie, im Gegenteil, wir sind es, die beabsichtigen, Sie hiermit auf den Despotismus und Mangel an Gleichberechtigung aufmerksam zu machen, womit über die Köpfe der Mitglieder hinweg diese schwerwiegende und gleichzeitig befremdliche Maßnahme durchgeführt wurde«, sagte der bis dahin stumme Wirginskij beinahe entrüstet.
    »Also Sie streiten es ab? Ich aber behaupte, daß Sie und niemand anderes das Feuer gelegt haben. Meine Herren, leugnen Sie nicht, mir stehen exakte Informationen zur Verfügung. Durch Ihre Eigenmächtigkeit haben Sie die Sache der Allgemeinheit in Gefahr gebracht. Sie sind nur ein Knoten in dem unendlichen Netz von Knoten und der Zentrale zu blindem Gehorsam verpflichtet. Indessen haben drei von Ihnen die Schpigulinschen Arbeiter zur Brandstiftung angestiftet, ohne irgendwelche Instruktionen empfangen zu haben, und die Brandstiftung hat stattgefunden.«
    »Wer sind diese drei? Wer sind diese drei von uns?«
    »Vorgestern haben Sie, Tolkatschenko, gegen vier Uhr morgens Fomka Sawjalow im ›Vergißmeinnicht‹ zugeredet, Feuer zu legen.«
    »Ich bitte Sie«, Tolkatschenko sprang auf, »ich habe kaum ein Wort gesagt, und auch das ohne bestimmte Absicht, sondern nur so, weil man ihn am Vormittag ausgepeitscht hatte, und habe sogleich abgebrochen, weil ich sah – er ist viel zu besoffen. Wenn Sie mich jetzt nicht daran erinnert hätten, dann würde ich heute nichts mehr davon wissen. Durch ein einziges Wort geht keine Stadt in Flammen auf.«
    »Sie gleichen jenem, der sich wundert, daß durch einen winzigen Funken eine ganze Pulverfabrik in die Luft fliegt.«
    »Ich habe es ihm ins Ohr geflüstert, in der Ecke, woher wissen Sie das?« wunderte sich plötzlich Tolkatschenko.
    »Ich saß eben unter dem Tisch. Keine Sorge, meine Herren, mir ist jeder Ihrer Schritte bekannt. Sie lachen so hinterhältig, Herr Liputin? Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, daß Sie vor vier Tagen Ihre Gattin, um Mitternacht, in Ihrem Schlafzimmer beim Schlafengehen mehrmals gekniffen haben.«
    Liputin sperrte den Mund auf und wurde kreidebleich.
    (Später erfuhr man, daß er über Liputins Heldentat durch Agafja, Liputins Magd, unterrichtet worden war, die er von Anfang an für das Spionieren bezahlte, wie sich im nachhinein herausgestellt hatte.)
    »Darf auch ich ein Faktum konstatieren?« Schigaljow erhob sich plötzlich.
    »Konstatieren Sie.«
    Schigaljow setzte sich wieder und begann zugeknöpft: »Soweit ich verstanden habe, und es war kaum möglich, nicht zu verstehen, haben Sie selbst, am Anfang und später noch einmal, mit großer Eloquenz – wenngleich allzu theoretisch – das Bild eines Rußlands entworfen, das von einem unendlichen Netz von Gruppen überzogen sei. Jede der aktiven Gruppen habe die Aufgabe, durch Proselytenmacherei sich ins Unendliche zu verzweigen, durch systematische Demaskierung und Propaganda das Ansehen der regionalen Behörden fortlaufend zu untergraben, Unsicherheit in den Wohnorten zu schüren, Zynismus und Skandale zu verbreiten, allgemeinen Unglauben zu säen, die Sehnsucht nach Besserem zu wecken und schließlich durch das vornehmlich volkstümliche Mittel der Brandstiftungen das Land im vorgeschriebenen Augenblick nach Bedarf sogar in Verzweiflung zu stürzen. Erkennen Sie Ihre

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