Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
von früher und hatte sich immer über ihn lustig gemacht; aber jetzt schwieg er und sah sich mit finsteren Blicken um.
»Und ich hätte auch nichts gegen Tee einzuwenden«, Pjotr Stepanowitsch rückte näher an den Tisch, »vorhin habe ich ein Steak gegessen und rechnete damit, den Tee bei Ihnen zu trinken.«
»Trinken Sie, wenn Sie wollen.«
»Früher haben Sie eigenhändig eingeschenkt«, bemerkte Pjotr Stepanowitsch säuerlich.
»Egal. Liputin kann mittrinken.«
»Nein, ich … ich kann nicht.«
»Ich will nicht oder ich kann nicht?« Pjotr Stepanowitsch wandte sich jäh nach ihm um.
»Ich bringe es hier nicht fertig«, weigerte sich Liputin mit besonderem Nachdruck. Pjotr Stepanowitsch runzelte die Stirn.
»Riecht nach Mystizismus; mag der Teufel wissen, was ihr alle für komische Menschen seid!«
Keiner antwortete; sie schwiegen eine volle Minute.
»Ich aber weiß eins gewiß«, fuhr er plötzlich mit Schärfe fort, »es gibt kein Vorurteil, das irgendeinen von uns daran hindern könnte, seine Pflicht zu erfüllen.«
»Stawrogin abgereist?« fragte Kirillow.
»Er ist abgereist.«
»Da hat er gut getan.«
Pjotr Stepanowitschs Augen funkelten schon, aber er beherrschte sich noch.
»Mir ist es ganz gleichgültig, was Sie denken, wenn nur jeder sein Wort hält.«
»Ich halte mein Wort.«
»Übrigens war ich schon immer überzeugt, daß Sie Ihre Pflicht erfüllen werden, Sie, ein unabhängiger und progressiver Mensch.«
»Und Sie ein lächerlicher.«
»Macht nichts, ich freue mich, wenn ich andere zum Lachen bringe. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich jemand gefällig sein kann.«
»Sie möchten sehr, daß ich mich erschieße, und fürchten, ich tue es plötzlich nicht.«
»Sehen Sie, Sie selbst haben Ihre Absicht mit unseren Aktionen in Verbindung gebracht. Da wir mit Ihrem Plan rechneten, haben wir bereits einiges unternommen, so daß Sie sich unter keinen Umständen zurückziehen können, weil Sie uns dann sitzenlassen.«
»Keinerlei Recht.«
»Verstehe, verstehe, Ihr freier Wille ist alles, und wir sind nichts, nur daß Ihr freier Wille auch Wirklichkeit wird.«
»Ich werde also alle Ihre Schändlichkeiten auf mich nehmen müssen?«
»Hören Sie, Kirillow, Sie haben doch nicht etwa Angst? Wenn Sie kneifen wollen, müssen Sie das auf der Stelle erklären.«
»Ich habe keine Angst.«
»Ich meine nur, weil Sie zu viel fragen.«
»Gehen Sie bald?«
»Fragen Sie schon wieder?«
Kirillow musterte ihn geringschätzig.
»Sehen Sie«, fuhr Pjotr Stepanowitsch fort, immer ärgerlicher, unruhiger und ohne den richtigen Ton zu finden, »Sie wünschen, daß ich gehe, damit Sie allein bleiben und sich konzentrieren können; aber das sind alles gefährliche Anzeichen, für Sie, für Sie in erster Linie. Sie möchten über vieles nachdenken. Meiner Meinung nach sollten Sie nicht nachdenken, sondern es einfach tun. Sie machen mir wirklich Sorge.«
»Mir ist sehr zuwider, daß in jenem Augenblick so eine Viper um mich sein wird wie Sie.«
»Na ja, das ist doch ganz gleichgültig. Ich kann ja in jenem Moment rausgehen und draußen warten. Wenn Sie aber zu sterben beabsichtigen und so wenig gelassen sind, dann … wird das alles sehr gefährlich. Ich gehe raus, nach draußen, und Sie dürfen annehmen, daß ich nichts begreife und als Mensch unendlich tiefer stehe als Sie.«
»Nein, nicht unendlich; Sie sind geschickt, aber begreifen sehr viel nicht, weil Sie niederträchtig sind.«
»Freut mich, freut mich. Ich sagte ja schon, daß ich mich sehr freue, mit Kurzweil aufzuwarten … in einem solchen Augenblick.«
»Sie begreifen nichts.«
»Das heißt, ich … jedenfalls höre ich mit Respekt zu.«
»Sie können nichts; Sie können nicht einmal jetzt Ihre kleinliche Wut verstecken, obwohl es unvorteilhaft für Sie ist, diese Wut zeigen. Sie werden mich noch erzürnen, und dann will ich plötzlich noch ein halbes Jahr haben.«
Pjotr Stepanowitsch warf einen Blick auf die Uhr.
»Ich habe Ihre Theorie noch nie verstanden, aber ich weiß, daß Sie nicht unseretwegen darauf verfallen sind und sie infolgedessen auch ohne uns in die Praxis umsetzen werden. Ich weiß ebenfalls, daß nicht Sie die Idee gefressen haben, sondern daß die Idee Sie gefressen hat und daß Sie folglich nichts aufschieben werden.«
»Wie? Mich hat die Idee gefressen?«
»Ja.«
»Und nicht ich habe die Idee gefressen? Gut, sehr gut. Einen kleinen Verstand haben Sie schon. Sie necken bloß, ich aber bin
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