Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
stolz.«
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet. Genau das Richtige, wenn Sie stolz sind.«
»Genug; Sie haben getrunken, gehen Sie.«
»Zum Teufel, ich werd’s müssen.« Pjotr Stepanowitsch erhob sich unwillig. »Allerdings ist es noch ziemlich früh. Hören Sie, Kirillow, werde ich wohl diesen Mann bei der Mjasnitschicha antreffen – Sie verstehen? Oder hat sie nur dumm geredet?«
»Sie werden ihn dort nicht antreffen, weil er ist hier, nicht dort.«
»Wieso hier, zum Teufel! Wo denn?«
»Sitzt in der Küche, ißt und trinkt.«
»Wie konnte er das wagen?« Pjotr Stepanowitsch lief vor Zorn rot an. »Er mußte dort warten … Der ist ja verrückt! Ohne Paß und ohne Geld!«
»Weiß nicht. Kam, um Abschied zu nehmen; gekleidet und fix und fertig; geht und kommt nicht wieder. Sagt, Sie sind ein Schurke, und will auf Ihr Geld nicht warten.«
»Aha, er fürchtet, ich könnte ihn … na ja, ich kann ihn auch jetzt, wenn … Wo ist er? In der Küche?«
Kirillow stieß eine Seitentür auf, die in eine winzige dunkle Kammer führte. Aus dieser Kammer führten drei Stufen in die Küche hinunter, gerade in den Bretterverschlag, wo gewöhnlich das Bett der Köchin steht. Hier, in der Ecke, unter den Ikonen, tafelte jetzt Fedjka an einem rohen Holztisch ohne Decke. Auf dem Tisch vor ihm stand ein halber Stof Branntwein, ein Teller mit Brot und eine irdene Schüssel mit kaltem Rindfleisch und Kartoffeln. Er ließ es sich schmecken und war schon leicht berauscht, hatte aber seinen Halbpelz anbehalten und war offensichtlich marschbereit. Hinter der Bretterwand dampfte der Samowar, aber nicht für Fedjka, der ihn pflichtschuldig nachts aufstellte und den Tee aufbrühte, schon seit einer Woche oder länger, sondern »für Alexej Nilytsch, denn der Herr sind nachts arg an ihren Tee gewöhnt«. Ich bin überzeugt, daß in Ermangelung einer Köchin Kirillow schon am Morgen eigenhändig das Rindfleisch mit Kartoffeln für Fedjka zubereitet hatte.
»Was fällt dir ein!« Pjotr Stepanowitsch rollte förmlich die Stufen hinunter. »Warum hast du nicht dort gewartet, wo ich es dir befohlen habe?«
Und er schlug schwungvoll mit der Faust auf den Tisch.
Fedjka nahm würdevoll Haltung an.
»Moment mal, Pjotr Stepanowitsch, Moment«, begann er, indem er Wort für Wort genüßlich betonte, »du mußt hier als deine erste Pflicht verstehen, daß du zu einem vornehmen Besuch beim Herrn Kirillow, Alexej Nilytsch, gekommen bist, bei dem du jederzeit die Stiefel wichsen kannst, alldieweil er vor dir ein hochgebildeter Kopf ist, und du bist bloß – tz!«
Und er tat, als spucke er genüßlich zur Seite. Man sah Hochmut, Entschlossenheit und ein gewisses gefährliches, gespieltes, ruhiges Raisonieren, bis zur ersten Explosion. Aber Pjotr Stepanowitsch hatte keine Zeit mehr, auf die Gefahr zu achten, und das hätte auch mit seinen Ansichten nicht übereingestimmt. Die Geschehnisse und Niederlagen des Tages machten ihn schwindeln … Liputin, drei Stufen höher, spähte aus dem dunklen Kämmerchen neugierig hinunter.
»Willst du oder willst du nicht – einen richtigen Paß und einen Batzen Geld, um zu fahren, wohin man dir befiehlt? Ja oder nein?«
»Siehst du, Pjotr Stepanowitsch, du hast gleich am Anfang angefangen, mich zu belügen und zu betrügen, und darum stehst du nun vor mir als richtiger Schuft, haargenau eine menschliche Laus – das ist, wofür ich dich halte. Du hast mir für unschuldig Blut das große Geld versprochen und im Namen von Herrn Stawrogin das beschworen, dabei war es nichts als Unzüchtigkeit von dir. Ich habe wahr und wahrhaftig keinen Tropfen davon abbekommen, von wegen die Anderthalbtausend, aber daß der Herr Stawrogin dich neulich mit Backpfeifen traktiert haben, das hat sich mittlerweile auch bis zu uns herumgesprochen. Und jetzt drohst du mir wieder und versprichst mir Geld – aber wofür, das sagst du nicht, und ich habe Zweifel im Sinn, ob du mich nicht nach Petersburg schickst, um dich aus Bosheit an Herrn Stawrogin, Nikolaj Wsewolodowitsch, zu rächen, auf meine Leichtgläubigkeit nämlich baust du. Und nach alledem stehst du als der erste Mörder da. Und weißt du auch, was du wert bist, allein schon durch den Punkt, daß du an Gott unseren Herrn, den alleinigen Schöpfer, in deiner Verderbtheit nicht mehr glaubst? Nicht mehr als ein Götzendiener, und kommst auf eine Linie mit den Tataren und den Mordwinen. Alexej Nilytsch, der ein Philosoph ist, hat dir den wahren Gott, den Schöpfer und den
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