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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Kirillow sogar für unzuverlässig hielt, und es auf den nächsten Tag verschoben, wenn alles vorbei und Kirillow bereits »alles egal« sein würde; so jedenfalls stellte sich Pjotr Stepanowitsch Kirillow vor. Liputin war es durchaus aufgefallen, daß über Schatow, gegen die Verabredung, nicht ein Wort verloren wurde, aber Liputin war viel zu aufgeregt gewesen, um zu protestieren.
    Im Sturmschritt erreichte Schatow die Murawjinaja-Straße, fluchend über den weiten Weg, der ihm endlos vorkam.
    Bei Wirginskij mußte er lange klopfen: alle schliefen schon. Aber Schatow hämmerte mit aller Gewalt rücksichtslos gegen den Fensterladen. Der Kettenhund auf dem Hof tobte und bellte unaufhörlich. Alle Hunde aus der Nachbarschaft fielen ein; es erhob sich ein höllisches Gebell.
    »Warum klopfen Sie, und was wünschen Sie?« ertönte endlich aus dem Fenster die sanfte und einer »Ruhestörung« keineswegs entsprechende Stimme Wirginskijs. Der Fensterladen öffnete sich einen Spalt, das Kappfenster ebenfalls.
    »Wer ist da, wer ist der Schuft?« kreischte eine Frauenstimme, die der »Ruhestörung« aufs beste entsprach. Es war die alte Jungfer, Wirginskijs Verwandte.
    »Ich bin’s, Schatow; meine Frau ist wieder da und muß jeden Augenblick niederkommen …«
    »Mag sie doch niederkommen, packen Sie sich!«
    »Ich will Arina Prochorowna holen. Ohne Arina Prochorowna rühre ich mich nicht von der Stelle!«
    »Sie kann nicht zu jedem gehen. Für nachts gibt’s eine andere … Gehen Sie doch zur Makschejewna. Und unterstehen Sie sich, Krach zu machen!« keifte die aufgebrachte Frauenstimme. Es war zu hören, daß Wirginskij ihr zuredete, aber die alte Jungfer versuchte, ihn vom Fenster wegzustoßen, und gab keine Ruhe.
    »Ich rühre mich nicht von der Stelle!« rief Schatow abermals.
    »Warten Sie, warten Sie doch!« rief endlich Wirginskij, der die alte Jungfer offenbar überwältigt hatte. »Ich bitte Sie, Schatow, gedulden Sie sich fünf Minuten, ich werde Arina Prochorowna wecken, aber Sie dürfen nicht klopfen und nicht schreien, ich bitte Sie … Oh, wie schrecklich ist das alles …!«
    Nach fünf endlosen Minuten erschien Arina Prochorowna.
    »Ihre Frau ist zurückgekommen?« hörte man sie durch das Kappfenster sprechen, und zu Schatows Verwunderung klang ihre Stimme keineswegs aufgebracht, sondern nur, wie gewohnt, herrisch. Aber Arina Prochorowna konnte gar nicht anders sprechen.
    »Ja, meine Frau, und sie hat die Wehen.«
    »Marja Ignatjewna?«
    »Ja, Marja Ignatjewna. Selbstverständlich Marja Ignatjewna!«
    Schweigen. Schatow wartete. Aus dem Haus hörte man Tuscheln.
    »Ist sie schon lange da?« erkundigte sich Madame Wirginskaja weiter.
    »Seit heute abend um acht. Bitte, beeilen Sie sich.«
    Wieder Tuscheln, es klang, als beriete man.
    »Hören Sie, irren Sie sich nicht? Hat sie selbst Sie geschickt, mich zu holen?«
    »Nein, sie hat mich nicht geschickt, Sie zu holen. Sie will nur eine Frau, eine einfache Frau, um mir keine Unkosten zu machen, aber keine Sorge, ich werde alles bezahlen.«
    »Gut, ich werde kommen, ob Sie bezahlen oder nicht. Ich habe immer Marja Ignatjewnas unabhängige Gefühle geschätzt, obwohl sie sich vielleicht nicht mehr an mich erinnert. Haben Sie das Nötigste?«
    »Gar nichts. Aber es wird alles da sein, alles, alles …«
    “Auch diese Leute kennen die Großmut!” dachte Schatow auf dem Weg zu Ljamschin. “Die Überzeugungen und der Mensch – das sind, glaube ich, zwei in vieler Beziehung verschiedene Dinge. Ich bin vielleicht vor ihnen in manchem schuldig! … Alle sind schuldig, alle sind schuldig und … Wenn nur alle sich davon überzeugen ließen …!”
    Bei Ljamschin brauchte er nicht lange zu klopfen; erstaunlicherweise öffnete er augenblicklich das Kappfenster, nachdem er barfuß, nur in Unterwäsche, aus dem Bett gefahren war und das Risiko eines Schnupfens auf sich genommen hatte. Er war sehr ängstlich und stets um seine Gesundheit besorgt. Aber diesmal gab es einen besonderen Grund für seine Hellhörigkeit und überstürzte Eile; Ljamschin hatte den ganzen Abend vor Aufregung geschlottert und bist jetzt keinen Schlaf finden können, als Folge der Sitzung bei den Unsrigen; er erwartete jeden Augenblick das Erscheinen gewisser ungebetener und ganz und gar unerwünschter Besucher. Die Nachricht, daß Schatow vorhabe, sie zu denunzieren, quälte ihn am meisten. Und nun wurde plötzlich, ausgerechnet jetzt, so fürchterlich laut an sein Fenster

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