Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
phantastischen Kopf sich wenigstens ein bißchen in einen Menschen mit richtigen Anschauungen verwandelt. Er muß nur auf seine Dummheiten verzichten, nicht die große Trommel rühren, nicht mit hängender Zunge durch die Stadt rennen. Wenn man ihn nicht an beiden Armen festhält, wird er bis morgen früh alle hiesigen Ärzte aufgescheucht haben; hat er doch sämtliche Hunde in unserer Straße aufgescheucht. Wir brauchen keine Ärzte, ich habe doch gesagt, daß ich für alles garantiere. Man könnte höchstens eine alte Frau anstellen, die im Haus hilft und nichts kostet. Übrigens ist er vielleicht doch für irgendwas zu brauchen, nicht nur für Dummheiten. Er hat zwei Hände, zwei Beine, er kann in die Apotheke laufen, ohne durch die erwiesene Wohltat Ihre Gefühle zu verletzen. Was ist das schon für eine Wohltat, zum Teufel! Hat er Sie nicht selbst in diese Lage gebracht? Hat er Sie nicht mit der Familie, bei der Sie Gouvernante waren, entzweit, mit dem egoistischen Ziel, Sie zu heiraten? Wir haben so etwas läuten hören … Übrigens kam er vorhin wie ein Verrückter angerannt und hat durch die ganze Straße gebrüllt. Ich dränge mich niemals auf und bin einzig Ihretwegen gekommen, aus Prinzip, weil alle Unsrigen solidarisch sein müssen; das habe ich ihm gleich erklärt, noch ehe ich aus der Haustür trat. Wenn Sie jedoch meinen, ich sei hier überflüssig, dann leben Sie wohl; wenn nur kein Unglück geschieht, was leicht zu verhindern ist.«
    Und sie erhob sich sogar von ihrem Stuhl.
    Marie war so hilflos, sie litt so sehr und hatte, um die Wahrheit zu sagen, eine solche Angst vor dem Bevorstehenden, daß sie es nicht wagte, Arina Prochorowna fortzuschicken. Aber plötzlich war diese Frau ihr verhaßt: Sie redete von etwas ganz anderem, etwas ganz anderes lag Marie am Herzen! Aber die Prophezeiung, daß sie unter den Händen einer unerfahrenen Helferin möglicherweise sterben könnte, besiegte ihren Widerwillen. Dafür wurde sie Schatow gegenüber von diesem Augenblick an noch fordernder, noch erbarmungsloser. Schließlich kam es soweit, daß sie ihm nicht nur verbot, sie anzusehen, sondern auch nur mit dem Gesicht zu ihr zu stehen. Ihre Qualen nahmen zu. Sie fluchte, das Schimpfen wurde immer heftiger.
    »Wenn es so ist, schmeißen wir ihn einfach raus!« entschied Arina Prochorowna. »Er ist ja kreidebleich, er muß Sie ja erschrecken; so totenblaß! Aber was geht Sie das eigentlich an, Sie komischer Kauz? Die reinste Komödie!«
    Schatow antwortete nicht. Er hatte sich vorgenommen, nicht zu antworten.
    »Ich habe bei solcher Gelegenheit schon manche dumme Väter gesehen, die auch überschnappten. Aber die waren wenigstens …«
    »Hören Sie auf, oder lassen Sie mich allein, damit ich verrecke! Ich will kein Wort mehr hören! Ich will nicht, ich will nicht!« schrie Marie.
    »Es ist unmöglich, kein Wort mehr zu sagen, wenn Sie nicht auch übergeschnappt sind; das könnte ich mir in Ihrem Fall sehr gut vorstellen. Wenigstens das Nötigste muß besprochen werden: Sagen Sie, haben Sie etwas vorbereitet? Antworten Sie, Schatow, ihr ist jetzt nicht danach zumute.«
    »Sagen Sie, was ist alles nötig?«
    »Also ist nichts vorbereitet.«
    Sie zählte alles unbedingt Nötige auf und beschränkte sich dabei, das muß man ihr lassen, auf das Unentbehrlichste, bis zum Ärmlichen. Einiges fand sich bei Schatow. Marie zog einen Schlüssel hervor und hielt ihn Schatow hin, damit er in ihrem Sac-de-voyage nachsuchte. Weil seine Hände zitterten, dauerte es etwas länger als üblich, bis das fremde Schloß geöffnet war. Marie geriet außer sich, aber als Arina Prochorowna hurtig hinzusprang, um ihm den Schlüssel aus der Hand zu nehmen, wollte sie ihr unter keinen Umständen gestatten, auch nur einen Blick in ihre Tasche zu werfen, und bestand schreiend und weinend darauf, daß einzig Schatow ihre Tasche öffnete.
    Einiges mußte eilig bei Kirillow geholt werden. Kaum hatte sich Schatow auf den Weg gemacht, als sie völlig außer sich zu rufen begann und sich erst dann beruhigte, als Schatow atemlos auf der Treppe kehrtgemacht und ihr versichert hatte, daß er nur eine Minute fortbliebe, nur, um das Allernötigste zu holen, und sogleich zurückkäme.
    »Na, meine Dame, Ihnen kann man auch nichts recht machen«, sagte Arina Prochorowna lachend, »bald muß man mit dem Gesicht zur Wand stehen und darf Sie ja nicht ansehen, bald darf man sich nicht eine Minute entfernen, und schon brechen Sie in Tränen aus. Wenn das so

Weitere Kostenlose Bücher