Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
bleiben Sie in Reichweite; hoffentlich werden Sie sich nützlich machen; es sieht so aus, als ob Marja Ignatjewna Sie nicht mit dem Stock fortjagen wird … schon gut, schon gut, ich mache ja nur Spaß …«
    Schatow begleitete sie hinaus, und am Tor fügte sie vertraulich hinzu: »Ich habe mich über Sie totgelacht; Geld nehme ich von Ihnen keines; ich werde noch im Schlaf über Sie lachen müssen. So was Komisches wie Sie heute nacht hab’ ich mein Lebtag nicht gesehen.«
    Sie verabschiedete sich höchst zufrieden. Schatows Aussehen und seine Reden bewiesen unumstößlich, daß dieser Mann sich “auf die Rolle des Vaters einstellt und der allerletzte Waschlappen ist”. Sie lief absichtlich auf dem Weg zu einer anderen Patientin zu Hause vorbei, um Wirginskij davon zu erzählen.
    »Marie, sie hat gesagt, du sollst mit dem Schlafen noch eine Weile warten, obwohl dir das, wie ich sehe, sehr schwer fällt …«, sagte Schatow schüchtern. »Ich setze mich hier ans Fenster und hüte dich, was meinst du?«
    Und er setzte sich ans Fenster, hinter das Sofa, so daß sie ihn unmöglich sehen konnte. Aber es war noch keine Minute verstrichen, als sie schon nach ihm rief und ihn widerwillig bat, das Kissen aufzuschütteln. Er rückte das Kissen zurecht. Sie sah ärgerlich zur Wand.
    »Nein, so nicht, ach, so nicht … Was haben Sie für Hände!«
    Schatow versuchte es noch einmal.
    »Beugen Sie sich zu mir herab«, sagte sie scheu und gab sich alle Mühe, an ihm vorbeizusehen.
    Er zuckte zusammen, aber er beugte sich zu ihr herab.
    »Tiefer … so nicht … näher.« Und plötzlich schlang sie stürmisch den linken Arm um seinen Hals, und auf seiner Stirn fühlte er ihren festen, feuchten Kuß.
    »Marie!«
    Ihre Lippen zitterten, sie nahm sich sichtlich zusammen, richtete sich aber plötzlich halb auf und sagte mit funkelnden Augen:
    »Nikolaj Stawrogin ist ein Schuft!«
    Und entkräftet, wie von einem Messerstich getroffen, fiel sie mit dem Gesicht in das Kissen, schluchzte hysterisch und umklammerte fest Schatows Hand.
    Von diesem Augenblick an ließ sie ihn nicht mehr von ihrer Seite, sie verlangte, er solle sich an das Kopfende setzten. Sie konnte nur mühsam sprechen, aber sie ließ ihn nicht aus den Augen und lächelte ihm selig zu. Sie schien sich plötzlich in ein dummes kleines Ding zu verwandeln. Alles war wie neugeboren. Schatow weinte bald wie ein kleiner Junge, bald redete er wirr vor sich hin, zusammenhanglos, wie im Rausch, begeistert; er küßte ihr die Hände; sie hörte ihm entzückt zu, vielleicht, ohne ihm folgen zu können, strich ihm aber liebevoll mit ihrer noch schwachen Hand übers Haar, glättete und bewunderte es. Er erzählte ihr von Kirillow, von ihrem künftigen Leben, »neu und für immer«, von der Existenz Gottes und davon, daß alle Menschen gut seien … In ihrer Begeisterung nahmen sie wieder das Kindchen auf und betrachteten es.
    »Marie!« rief er aus, als er das Kind im Arm hielt. »Nun hat der alte Alptraum, die alte Schmach und Fäulnis ein Ende! Laß uns arbeiten und einen neuen Weg zu dritt suchen, ja, ja! … Ach ja, wie wollen wir ihn nennen, Marie?«
    »Ihn? Wie wir ihn nennen wollen?« wiederholte sie erstaunt, und plötzlich zeigte sich auf ihrem Gesicht tiefe, tiefe Trauer.
    Sie schlug die Hände zusammen, sah Schatow vorwurfsvoll an und ließ sich mit dem Gesicht ins Kissen fallen.
    »Marie, was ist dir?« rief er erschrocken und betrübt aus.
    »Und Sie konnten, Sie konnten … Sie Undankbarer!«
    »Marie, verzeih … Marie … Ich habe nur gefragt, wie wir ihn nennen wollen. Ich weiß doch nicht …«
    »Iwan, Iwan«, sie hob ihr glühendes, tränennasses Gesicht empor, »konnten Sie wirklich annehmen, mit dem anderen, dem furchtbaren Namen?«
    »Marie, beruhige dich, oh, wie angegriffen du bist!«
    »Eine neue Roheit; warum schieben Sie es darauf, daß ich angegriffen bin? Ich möchte wetten, daß Sie, wenn ich gewünscht hätte, ihn … mit jenem furchtbaren Namen zu nennen, sogleich eingewilligt hätten, es wäre Ihnen nicht einmal aufgefallen! Oh, die Undankbaren, wie gemein sind sie alle, alle!«
    Eine Minute später waren sie natürlich wieder versöhnt. Schatow überredete sie, ein wenig zu ruhen. Sie schlief ein, aber ohne seine Hand loszulassen, wachte immer wieder auf, sah ihn an, als fürchtete sie, er könne weggehen, und schlief wieder ein.
    Kirillow schickte die Alte, mit »Glückwünschen« und außerdem mit heißem Tee, Koteletten direkt aus

Weitere Kostenlose Bücher