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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Kopf in diesem Augenblick nicht ein neuer Gedanke aufgeleuchtet wäre, ein gewissermaßen neuer, versöhnlicher Plan für das weitere Vorgehen – dann hätte er sich vielleicht krank ins Bett gelegt wie Ljamschin. Aber dieser neue Gedanke gab ihm Kraft, und damit nicht genug, er fieberte sogar vor Ungeduld der festgesetzten Stunde entgegen und machte sich sogar früher als nötig auf den Weg zu der verabredeten Stelle.
    Es war ein sehr düsterer Ort, am Ende des riesigen Stawroginschen Parks. Ich bin später eigens hingegangen, um die Stelle in Augenschein zu nehmen; wie finster muß es dort an jenem unwirtlichen Herbstabend gewesen sein. Hier begann das alte Forstschutzgebiet; riesige hundertjährige Kiefern zeichneten sich als düstere, verschwommene Flecken im Dunkeln ab. Das Dunkel war so dicht, daß man auf zwei Schritt Entfernung einander nicht erkennen konnte, aber Pjotr Stepanowitsch, Liputin, später auch Erkel brachten Laternen mit. Wann und wozu auch immer, vor unvordenklichen Zeiten war hier aus rohen, unbehauenen Steinblöcken eine irgendwie komische Grotte errichtet worden. Der Tisch und die Bänke in ihrem Inneren waren schon längst verfault und zerfallen. Etwa zweihundert Schritt rechts davon endete der dritte Parkteich. Diese drei Teiche begannen unmittelbar vor dem Herrenhaus und zogen sich, einer nach dem anderen, über eine Werst bis ans Ende des Parks hin. Es war kaum anzunehmen, daß irgendein Lärm, ein Schrei und nicht einmal ein Schuß die Bewohner des leerstehenden Stawroginschen Hauses erreichen könnte. Seit dem gestrigen Aufbruch Nikolaj Wsewolodowitschs und der Abreise Alexej Jegorytschs waren in dem ganzen Haus kaum mehr als fünf oder sechs Bewohner geblieben, alle mehr oder weniger invalide. Jedenfalls konnte man mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen, daß keiner dieser Eremiten (falls ein Schrei oder Hilferuf ihn erreichen sollte) seine Angst überwinden, sich von dem warmen Ofen oder der behaglichen Ofenbank trennen und zur Hilfe eilen würde.
    Zwanzig Minuten nach sechs waren alle zur Stelle, bis auf Erkel, dem befohlen war, Schatow zu holen. Diesmal war Pjotr Stepanowitsch pünktlich. Er erschien in Begleitung von Tolkatschenko. Tolkatschenko wirkte nachdenklich und besorgt; seine gespielte, prahlerische Entschlossenheit war wie weggeblasen. Er wich Pjotr Stepanowitsch kaum von der Seite und trug plötzlich eine grenzenlose Ergebenheit zur Schau; immer wieder drängte er sich an ihn, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern; aber Pjotr Stepanowitsch antwortete ihm entweder gar nicht oder knurrte ärgerlich vor sich hin, nur um ihn loszuwerden.
    Schigaljow und Wirginskij waren sogar etwas früher als Pjotr Stepanowitsch gekommen und bei dessen Erscheinen sofort beiseite getreten, in tiefem und eindeutig vorsätzlichem Schweigen. Pjotr Stepanowitsch hob die Laterne und musterte sie mit dreister und beleidigender Aufmerksamkeit. “Die wollen eine Aussprache”, schoß es ihm durch den Kopf.
    »Ljamschin fehlt?« fragte er Wirginskij. »Wer hat gesagt, daß er krank ist?«
    »Ich bin hier«, meldete sich Ljamschin und trat plötzlich hinter einem Baum hervor. Er trug einen warmen Mantel und war fest in ein Plaid eingepackt, so daß seine Physiognomie nur schwer zu erkennen war, trotz der Laterne.
    »Also fehlt nur noch Liputin?«
    Da trat Liputin schweigend aus der Grotte. Pjotr Stepanowitsch hob wieder die Laterne.
    »Warum haben Sie sich dort versteckt? Warum sind Sie nicht vorgetreten?«
    »Ich nehme an, daß wir alle das Recht … auf Bewegungsfreiheit behalten haben«, murmelte Liputin, wahrscheinlich ohne recht zu verstehen, was er damit sagen wollte.
    »Meine Herren«, begann Pjotr Stepanowitsch mit erhobener Stimme, indem er zum ersten Mal das Flüstern aufgab und damit einen deutlichen Effekt erzielte, »Sie werden, glaube ich, sehr wohl verstehen, daß es jetzt sinnlos ist, länger zu diskutieren. Gestern ist alles gesagt und durchgekaut worden, unmißverständlich und unumwunden. Aber vielleicht möchte jemand, ich lese es an den Gesichtern, noch etwas vorbringen; in diesem Fall bitte ich Sie, sich zu beeilen. Teufel, unsere Zeit ist knapp, Erkel kann ihn jeden Augenblick bringen.«
    »Er wird ihn unbedingt bringen«, bestätigte Tolkatschenko überflüssigerweise.
    »Wenn ich mich nicht täusche, soll zuerst die Übergabe des Druckstocks erfolgen?« erkundigte sich Liputin, der wiederum den Sinn der eigenen Frage nicht zu verstehen schien.
    »Aber selbstverständlich,

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