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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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wenn ich die Wahrheit sagte. Ich habe nie um der Wahrheit willen gesprochen, sondern nur um meiner selbst willen, ich habe das auch schon früher gewußt, aber jetzt erst sehe ich, was … Oh, wo sind jene Freunde, die ich mit meiner Freundschaft mein ganzes Leben lang beleidigt habe? Und auch die anderen, alle, alle! Savez-vous , es könnte sein, daß ich auch jetzt noch lüge; wahrscheinlich lüge ich auch jetzt noch. Die Hauptsache aber ist, daß ich mir selber glaube, wenn ich lüge. Das Allerschwerste im Leben ist, zu leben und nicht zu lügen … und … der eigenen Lüge nicht zu glauben, ja, ja, gerade das ist es! Aber warten Sie nur, das alles wird später anders … Wir zusammen, zusammen!« fügte er enthusiastisch hinzu.
    »Stepan Trofimowitsch«, bat Sofja Matwejewna schüchtern, »sollten wir nicht aus der Gouvernementsstadt einen Doktor holen lassen?«
    Er war über die Maßen erstaunt.
    »Wozu? Est-ce que je suis si malade? Mais rien de sérieux . Und wozu brauchen wir fremde Leute? Man wird erfahren, daß … und was ist dann? Nein, nein, keine Fremden, wir zusammen, zusammen!«
    »Und wissen Sie«, sagte er nach einigem Schweigen, »lesen Sie mir noch etwas vor, einfach so, schlagen Sie auf, wohin der Blick fällt.«
    Sofja Matwejewna schlug das Buch auf und begann zu lesen.
    »Dort, wo das Buch aufgeht, wo es von selbst aufgeht«, wiederholte er.
    »›Und dem Engel der Gemeinde in Laodicea schreibe …‹«
    »Was ist das? Was? Woraus ist das?«
    »Das ist aus der Apokalypse.«
    »Oh, je m’en souviens, oui, l’Apocalypse. Lisez, lisez , ich möchte, daß dieses Buch uns die Zukunft wahrsagt, ich will wissen, was dort steht; lesen Sie weiter von dem Engel, weiter von dem Engel …«
    »›Und dem Engel der Gemeinde in Laodicea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich kenne deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! Und weißt nicht, daß du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.‹«
    »Das … das steht in Ihrem Buch!« rief er mit funkelnden Augen und richtete sich in seinen Kissen auf, »ich kannte diese großartige Stelle noch nicht! Hören Sie: eher kalt, kalt als lauwarm, als nur lauwarm. Oh, ich werde es beweisen, aber verlassen Sie mich nicht, lassen Sie mich nicht allein! Wir werden es beweisen, wir werden es beweisen!«
    »Aber ich werde Sie doch nicht verlassen, Stepan Trofimowitsch, niemals werde ich Sie verlassen!« Sie ergriff seine Hände, hielt sie fest, drückte sie an ihr Herz und sah ihn mit Tränen in den Augen an. (»Sie taten mir arg leid in diesem Augenblick«, hat sie später erzählt.) Seine Lippen zuckten krampfhaft.
    »Aber was sollen wir denn machen? Sollen wir nicht jemanden von Ihren Bekannten oder vielleicht Ihre Verwandten benachrichtigen?«
    Aber da erschrak er so sehr, daß sie bedauerte, noch einmal davon angefangen zu haben. Zitternd und bebend flehte er sie an, keinen zu rufen und nichts zu unternehmen; er ließ es sich wiederholt versprechen und beschwor sie: »Keinen Menschen, keinen Menschen! Wir bleiben allein, ganz allein, nous partirons ensemble .«
    Es war sehr unangenehm, daß die Wirtsleute ebenfalls anfingen, unruhig zu werden, zu nörgeln und Sofja Matwejewna das Leben schwer zu machen. Sie bezahlte und ließ sie das Geld sehen; das besänftigte sie für eine Weile; aber dann verlangte der Wirt Stepan Trofimowitschs »Papiere«. Hochmütig lächelnd deutete der Kranke auf seinen kleinen Sac-de-voyage; Sofja Matwejewna fand darin seine Entlassungsurkunde aus dem Staatsdienst oder irgend etwas dieser Art, das ihm sein Leben lang als Legitimation gedient hatte. Der Wirt gab sich damit nicht zufrieden und bestand darauf, daß »der Herr irgendwo anders unterkommen müssen, alldieweil bei uns kein Krankenhaus ist, und wenn er stirbt, dann wird es ganz schlimm, dann haben wir nichts wie Scherereien«. Sofja Matwejewna hatte sich auch bei ihm nach einem Arzt erkundigt, aber es stellte sich heraus, daß sie den Gedanken an einen Arzt aufgeben mußten, da sein Besuch aus der Stadt viel zu kostspielig sein würde. Tiefbekümmert kehrte sie zu ihrem Kranken zurück. Stepan Trofimowitsch wurde zusehends schwächer.
    »Und jetzt lesen Sie mir noch eine Stelle vor … von den

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