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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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nehme mir heraus, Ihnen meinerseits etwas …«
    Und dann begann sie eilig, immer mit dem Blick auf die geschlossene Tür, ob auch niemand sie belausche, daß es hier, in diesem Dorf, schlimm zugehe. Daß sämtliche hiesige Bauern, obwohl sie Fischer seien, ihre wichtigsten Einnahmen von den Durchreisenden im Sommer einstrichen, indem sie von ihnen Preise nach Gutdünken verlangten. Das Dorf liege abseits von allen großen Straßen und werde nur deshalb aufgesucht, weil hier der Dampfer anlege, und wenn der Dampfer ausfalle, weil er bei schlechtem Wetter niemals verkehre, sammle sich hier in einigen Tagen so viel Volk, daß alle Häuser im Dorf belegt seien, was für die Besitzer eine willkommene Gelegenheit biete, für alles und jedes den dreifachen Preis zu verlangen, und ihr Wirt sei ein stolzer und hochmütiger Mann, der Reichste im Dorf, allein sein Netz sei tausend Rubel wert.
    Stepan Trofimowitsch blickte beinahe vorwurfsvoll in Sofja Matwejewnas Gesicht, das sich sichtlich belebt hatte, und versuchte immer wieder, sie durch eine Geste zu unterbrechen. Aber sie ließ sich nicht beirren und erzählte weiter: Nach ihren Worten wäre sie einmal im Sommer mit einer »sehr vornehmen Dame« aus der Stadt hiergewesen und habe hier auch übernachten müssen, da der Dampfer ausgefallen wäre, sogar an zwei Tagen, und da hätten sie so viel Mißliches ausgestanden, daß es einfach schrecklich sei, daran auch nur zu denken. »Nun haben Sie, Stepan Trofimowitsch, diese Stube ganz allein für sich selbst bestimmt … ich sage es nur, um Sie zu warnen … Und dort, im anderen Zimmer, sind andere Reisende, ein älterer Herr und ein junger Herr und eine Dame mit Kindern, und bis morgen um zwei wird das Haus brechend voll sein, denn der Dampfer ist zwei Tage ausgeblieben, und da wird er bestimmt morgen kommen. Also wird man für die Extrastube und für das verlangte Mittagessen und für die Kränkung aller anderen Reisenden so viel von Ihnen verlangen, wie es sogar in den Hauptstädten unerhört wäre …«
    Aber er litt, er litt wahrhaftig:
    » Assez, mon enfant, ich beschwöre Sie; nous avons notre argent et après – le Bon Dieu. Ich wundere mich sogar, daß ausgerechnet Sie, bei aller Erhabenheit Ihrer Begriffe … Assez, assez, vous me tourmentez «, beschwor er sie hysterisch, »unsere ganze Zukunft liegt vor uns … Sie aber … Sie machen mir Angst vor dem Kommenden …«
    Er begann unverzüglich, die ganze Geschichte zu erzählen, wobei er sich dermaßen überstürzte, daß man ihm anfangs kaum folgen konnte. Die Erzählung dauerte sehr lange. Man trug die Fischsuppe auf, man trug das Huhn auf, und schließlich brachte man auch den Samowar. Er aber redete immer noch … Das, was er redete, war eigenartig und krankhaft, aber er war ja auch wirklich krank. Es handelte sich um eine jähe Anspannung der Geisteskräfte, die sich selbstverständlich – das sah Sofja Matwejewna mit Pein voraus, während der ganzen Zeit, da er erzählte – anschließend in einem vollständigen Kräfteverfall seines bereits angegriffenen Organismus auswirken mußte. Er begann beinahe mit der Kindheit, als er »mit frischer Brust über die Felder streifte«, und brauchte eine volle Stunde bis zu seinen beiden Ehen und dem Leben in Berlin. Ich wage es übrigens nicht, mich darüber zu amüsieren. Für ihn fand jetzt tatsächlich etwas Höheres statt, fast, um mich eines der neuesten Ausdrücke zu bedienen, ein Kampf ums Dasein. Er sah jene vor sich, die er für seinen künftigen Weg auserkoren hatte, und beeilte sich, sie sozusagen einzuweihen. Seine Genialität durfte ihr nicht länger ein Geheimnis bleiben … Vielleicht hat er Sofja Matwejewna stark überschätzt, aber er hatte sie eben auserkoren. Ohne eine Frau konnte er nicht sein. Er selbst konnte an ihrem Gesicht deutlich ablesen, daß sie ihn fast überhaupt nicht verstand, nicht einmal das Hauptsächlichste.
    “ Ce n’est rien, nous attendrons , einstweilen wird sie es ahnend erfassen …”
    »Oh, meine Freundin, ich brauche nichts als Ihr Herz!« rief er aus, seine Erzählung unterbrechend. »Und diesen liebreizenden, bezaubernden Blick, den Sie auf mir ruhen lassen. Oh, Sie brauchen nicht zu erröten! Ich sagte Ihnen ja bereits, daß …«
    Besonders dunkel wurde die Geschichte für die arme Sofja Matwejewna, als die Erzählung sich zu einer wahren Dissertation über das Thema ausweitete, daß es keinem Menschen jemals gelungen wäre, ihn, Stepan Trofimowitsch,

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