Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
seiner Abreise nach Ustjewo, in einer Kutsche mit einer Sofja Matwejewna, traf sie augenblicklich die nötigen Anstalten und nahm die frische Fährte nach Ustjewo auf. Von seiner Krankheit hatte sie noch keine Ahnung.
Und schon hörte man ihre strenge und herrische Stimme; sogar die Wirtsleute bekamen es mit der Angst zu tun. Sie hatte hier halten lassen, nur um sich zu erkundigen und nachzufragen, in der Überzeugung, Stepan Trofimowitsch sei schon längst in Spassow; als sie erfuhr, er sei hier und krank, trat sie erregt in das Haus ein.
»Nun, wo ist er? Aha, du bist das!« rief sie beim Anblick Sofja Matwejewnas, die ausgerechnet in diesem Augenblick auf der Schwelle der zweiten Stube erschien. »Ich sehe an deiner schamlosen Visage, daß du es bist. Hinaus mit dir, du Schlampe! Sie verschwindet augenblicklich aus dem Haus! Setzt sie vor die Tür! Sonst bring’ ich dich, meine Gute, für den Rest deines Lebens hinter Gitter! Laßt sie einstweilen in dem andern Haus nicht aus den Augen! Sie hat schon in der Stadt hinter Gittern gesessen, nun muß sie nochmal sitzen. Und dich, Wirt, bitte ich, keine Seele hereinzulassen, solange ich hier bin. Ich bin die Generalin Stawrogina und miete das ganze Haus. Und du, meine Liebe, wirst mir über alles Rechenschaft ablegen.«
Die vertrauten Töne erschütterten Stepan Trofimowitsch. Er zitterte. Aber schon trat sie hinter die Zwischenwand. Mit funkelnden Augen stieß sie mit dem Fuß einen Stuhl heran, lehnte sich zurück und befahl Dascha:
»Geh einstweilen hinaus, setz dich zu den Wirtsleuten. Was soll diese Neugier? Und zieh auch die Tür fest hinter dir zu.«
Eine Zeitlang fixierte sie schweigend und fast wie ein Raubtier sein erschrockenes Gesicht.
»Na, wie geht es Ihnen, Stepan Trofimowitsch? Wie war der Spaziergang?« brach es mit wütender Ironie plötzlich aus ihr hervor.
»Chère«, stammelte Stepan Trofimowitsch, einer Ohnmacht nahe, »ich habe das wirkliche russische Leben kennengelernt … Et je prêcherai l’Evangile …«
»Oh, Sie schamloser, unanständiger Mensch!« rief sie plötzlich laut aus und schlug die Hände zusammen. »Es war für Sie wohl noch nicht genug, mich so zu blamieren, nein, Sie haben sich eingelassen mit … Oh, Sie alter, schamloser Wüstling!«
»Chère …«
Seine Stimme versagte, er brachte keinen Laut hervor, sondern starrte sie nur an, entsetzt und aus weitaufgerissenen Augen.
»Wer ist sie? «
» C’est un ange … C’était plus qu’un ange pour moi , sie hat die ganze Nacht … Oh, schreien Sie nicht, erschrecken Sie sie nicht, chère, chère!«
Warwara Petrowna fuhr plötzlich hoch, der Stuhl flog donnernd zur Seite; man hörte ihren entsetzten Schrei: »Wasser! Wasser!« Er kam zwar sofort wieder zu sich, sie aber zitterte immer noch vor Angst und starrte, kreidebleich, in sein verzerrtes Gesicht: Jetzt erst wurde es ihr zum ersten Mal klar, wie schwer krank er war.
»Darja«, flüsterte sie plötzlich Darja Pawlowna zu: »Augenblicklich den Doktor holen, den Salzfisch; Jegorytsch soll sofort hin; er soll hier Postpferde mieten und für den Rückweg aus der Stadt den anderen Wagen nehmen. Er muß vor Anbruch der Nacht wieder hiersein.«
Dascha stürzte hinaus, um den Befehl auszuführen. Stepan Trofimowitsch starrte immer noch erschrocken aus weit aufgerissenen Augen vor sich hin; seine weißen Lippen zitterten.
»Warte, Stepan Trofimowitsch, warte, mein Lieber!« Warwara Petrowna redete ihm zu wie einem Kind. »Warte, warte, Darja kommt gleich zurück und dann … Ach, mein Gott, he, Wirtin, komm du doch wenigstens her!«
Vor lauter Ungeduld lief sie selbst zu der Wirtin hinaus.
»Sofort, augenblicklich, diese Person zurückholen! Zurück! Zurück!«
Zum Glück hatte Sofja Matwejewna noch nicht Zeit gehabt, das Haus zu verlassen, sie war gerade im Begriff, mit Sack und Bündel zum Tor hinauszugehen. Sie wurde zurückgeholt. Sie erschrak dermaßen, daß ihr sogar Hände und Füße zitterten. Warwara Petrowna packte sie wie der Geier das Küken bei der Hand und schleppte sie ungestüm hinter sich her zu Stepan Trofimowitsch.
»Hier, da haben Sie sie. Ich habe sie doch nicht aufgefressen. Sie dachten wohl, ich hätte sie auf der Stelle gefressen.«
Stepan Trofimowitsch ergriff Warwara Petrownas Hand, hob sie an seine Augen und brach in Tränen aus, laut schluchzend, schmerzlich, wie in einem Anfall.
»Aber mein Lieber, beruhige dich, beruhige dich! Aber mein Guter! Oh, mein Gott, so
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