Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Dostojewskij
Geb. 11. 11. 1821 in Moskau;
gest. 9. 2. 1881 in St. Petersburg
Michail Dostojewskij, der Vater des Schriftstellers, war adelig – ein Vorfahre war 1506 mit einem Gut Dostoevo belehnt worden – aber ohne Landbesitz. Er hatte eine Frau aus dem Kaufmannstand geheiratet. Den Traum von einem standesgemäßen Leben auf einem eigenen Gut versuchte er, sich durch die Arbeit als Arzt am Marijnskij Armen-Krankenhaus in Moskau zu erfüllen. In dessen unmittelbarer Umgebung wurde Fjodor Dostojewskij als zweites von sieben Kindern geboren. Als er 13 Jahre alt war, kaufte der Vater ein Gut im Gouvernement Tula. Drei Jahre später starb die Mutter an Schwindsucht, fünf Jahre später der Vater – er wurde von den leibeigenen Bauern erschlagen (Sigmund Freud hat dem Umstand, dass der Vater, zu dem D. ein gespanntes Verhältnis hatte, ermordet wurde, einen Essay gewidmet). D. besuchte zu der Zeit schon seit einem Jahr die St. Petersburger Schule für Pioniere, eine Art Fachhochschule der Militärakademie, in der Techniker und Ingenieure ausgebildet wurden. Nach drei Jahren schloss er die Ausbildung zum technischen Zeichner ab und nahm 1843 eine Tätigkeit im Kriegsministerium auf.
Schon während des Studiums hatte er sich mehr für Literatur als für Kriegstechnik interessiert, er hatte viel gelesen und sein literarisches Talent beim Schreiben von Dramen erprobt. Ab 1843 kamen Übersetzungen aus dem Französischen und eigene Prosatexte hinzu. 1844 entschloss er sich, die Schriftstellerei zu seinem Hauptberuf zu machen; also suchte er Anschluss an die entsprechenden Kreise: Er lernte Ivan Turgenev, den Altmeister des noch jungen Realismus, und die einflussreichen »linken« Redakteure Nikolaj Nekrasov und Vissarion Belinskij kennen. Als diese noch vor der Veröffentlichung Kenntnis vom Manuskript von D.s Roman Bednye ljudi (1846; Arme Leute , 1887) erhielten, reagierten sie euphorisch. Der Inbegriff einer engagierten realistischen Literatur schien gefunden zu sein. Das Thema (Leid und Armut, aber innere Größe) war en vogue, die Figuren waren in sich stimmig, ihre Sprache charakterisierte sie. Der Erfolg war überwältigend. Aber schon D.s zweites Buch Dvojnik (1846; Der Doppelgänger , 1889) stieß auf Vorbehalte: Es ist die Geschichte Goljadkins, eines kleinen Beamten, der erlebt, wie ein junger Kollege Karriere macht und das Mädchen gewinnt, das er eigentlich liebt, und darüber psychisch krank wird: Er sieht seine eigenen Stärken als einen Doppelgänger seiner selbst, bei ihm selbst verbleiben nur Schwäche und Unfähigkeit. Diese Art psychologischer Konflikte war der zeitgenössischen Kritik noch fremd – sie sicherte D. jedoch eine dauerhafte Aufmerksamkeit im 20. Jahrhundert.
Der 1848 erschienene Roman Belye noči ( Weiße Nächte , 1888) trägt den Untertitel: Sentimental’nyj roman. Iz vospominanij mečtatelja ( Sentimentaler Roman. Aus den Erinnerungen eines Träumers ). Hier entwickelt D. zum ersten Mal den Typus des lebensunfähigen Menschen, der nicht vorrangig durch seine soziale Stellung (wie der Beamte Goljadkin), sondern durch die der modernen Großstadt Petersburg angepasste Lebensweise den Kontakt zum eigentlichen Leben verliert. Petersburg lässt nur ein Scheinleben zu, nur Träume vom Leben.
Durch die Unruhen des Jahres 1848, die viele Länder Europas erfasst hatten, war die zaristische Geheimpolizei noch aufmerksamer geworden. In der Wohnung des jungen Beamten Michail Petraševskij hatte sich seit längerem eine Gruppe versammelt, die umstürzlerische politische Theorien diskutierte und über Russlands Zukunft debattierte. Man las verbotene Texte, darunter Fourier, Proudhon und die sog. Utopisten (Saint-Simon u.a.). Der Kern der Gruppe plante, eine geheime Druckerei einzurichten, um bestimmte Texte und Flugblätter zu vervielfältigen. D., politisch wenig erfahren und geneigt, Fragen sehr radikal zu stellen und bis zum bitteren Ende zu diskutieren, war regelmäßig bei den Treffen dabei, und so wurde auch er am 23. April 1849 verhaftet. Die Untersuchungshaft dauerte bis September, der anschließende Prozess endete für 15 der 28 Verhafteten, unter ihnen D., mit der Verurteilung zum Tode. Die Hinrichtung erwies sich als makabres Spiel, in letzter Sekunde wurde ein Begnadigungsschreiben des Zaren verlesen: Die Todesstrafe wurde in vier Jahre Zuchthaus und vier Jahre Wehrdienst umgewandelt. D. erlebte im sibirischen Straflager alle Erniedrigungen der Katorga: Fußketten, mangelnde
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