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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Kind gebracht?«
    »Ich habe es in den Teich gebracht«, sagte sie seufzend.
    Schatow stieß mich wieder leicht mit dem Ellbogen an.
    »Wie aber, wenn überhaupt kein Kind da war und das alles nichts als Einbildung ist, he?«
    »Du stellst mir eine schwere Frage, Schatuschka«, sprach sie nachdenklich und ohne sich über eine solche Frage im leisesten zu wundern. »In dieser Hinsicht kann ich dir rein gar nichts sagen, vielleicht war wirklich keins da; ich meine, das ist nichts als Neugier von dir; ich werde sowieso nicht aufhören, es zu beweinen, ich habe es doch nicht im Traum gesehen?« Dicke Tränen schimmerten auf einmal in ihren Augen. »Schatuschka, Schatuschka, stimmt es, daß deine Frau dir davongelaufen ist?« Plötzlich legte sie beide Hände auf seine Schultern und sah ihn voller Mitleid an. »Nimm’s mir nicht übel, ich habe es selber schwer. Weißt du, Schatuschka, was mir geträumt hat: Er kommt wieder zu mir und lockt mich und ruft: ›Mein Kätzchen‹, sagt er, ›mein Kätzchen, komm doch heraus zu mir!‹ Und über dieses ›Kätzchen‹ freute ich mich am meisten: Er liebt mich! dachte ich.«
    »Vielleicht wird er auch im Wachen kommen«, murmelte Schatow halblaut.
    »Nein, Schatuschka, das ist ein Traum … Im Wachen kommt er nicht. Du kennst doch das Lied:
    Ein Prunkgemach, das brauch’ ich nicht,
    In dieser Zelle will ich bleiben,
    Den Schöpfer bitten um das Heil und Licht
    Und im Gebet für dich verweilen.
    Ach, Schatuschka, du mein Lieber, warum fragst du mich nie etwas?«
    »Du wirst mir ja doch nichts sagen, darum frage ich dich auch nicht.«
    »Ich sag’s nicht, ich sag’s nicht, und wenn du mich erstichst – ich sag’s nicht«, sagte sie rasch, »und wenn du mich mit Feuer brennst, ich sag’s nicht. Was ich auch erdulden müßte – nichts sag’ ich, die Menschen sollen nichts erfahren!«
    »Da siehst du, jeder hat sein Päckchen zu tragen«, sagte Schatow noch leiser und ließ den Kopf immer tiefer hängen.
    »Wenn du mich bittest, könnte ich dir vielleicht etwas sagen; vielleicht etwas sagen!« wiederholte sie verzückt. »Warum bittest du mich nicht? Du sollst mich hübsch bitten, Schatuschka, vielleicht würde ich dir etwas sagen; du sollst mich anflehen, Schatuschka, damit ich freiwillig nachgebe … Schatuschka, Schatuschka!«
    Aber Schatuschka schwieg. Das allgemeine Schweigen währte gut eine Minute. Stille Tränen flossen über ihre weißgeschminkten Wangen; sie saß da, ihre beiden Händen lagen immer noch auf Schatows Schultern, als hätte sie sie dort vergessen, aber sie sah ihn nicht mehr an.
    »Ach, was gehst du mich an, das wär’ ja auch eine Sünde!« Schatow erhob sich plötzlich von der Bank. »Stehen Sie mal auf!« Ärgerlich zog er die Bank unter mir weg, hob sie auf und stellte sie auf ihren alten Platz.
    »Wenn er kommt, darf er nichts merken; für uns ist es Zeit.«
    »Oh, du denkst immer an meinen Lakaien!« lachte Marja Timofejewna plötzlich auf. »Du hast Angst! Also, adieu, liebe Gäste; nur noch einen Augenblick, ich will dir etwas sagen. Kürzlich kamen dieser Nilytsch und Filippow, der Hausbesitzer, der Rotbart. Sie kamen, und ausgerechnet da hatte der Meinige sich über mich hergemacht. Da packt ihn der Hausbesitzer, da zerrt er ihn durchs ganze Zimmer, und da schreit der Meinige: ›Ich bin nicht schuld, für fremde Schuld muß ich büßen!‹ Ob du mir glaubst oder nicht, aber wir alle, die wir zugegen waren, bogen uns vor Lachen …«
    »O Timofejewna, ich war es doch und nicht der Rotbart, ich war es doch, der ihn neulich an den Haaren gepackt und von dir weggezogen hat; der Hausbesitzer war vorgestern bei euch und hat geschimpft, das hast du durcheinandergebracht.«
    »Stimmt, ich habe es wirklich durcheinandergebracht, vielleicht bist du es gewesen. Aber wir wollen nicht über Kleinigkeiten streiten: Ist es ihm nicht egal, von wem er Prügel bezieht?« sagte sie lachend.
    »Wir müssen gehen«, Schatow stieß mich plötzlich an, »das Tor hat geknarrt. Wenn er uns hier trifft, wird er sie prügeln.«
    Wir waren kaum die Treppe hinaufgerannt, als man am Tor das Grölen eines Betrunkenen und unaufhörliches Schimpfen hörte. Schatow ließ mich bei sich eintreten und schloß die Tür hinter sich ab.
    »Sie werden noch einen Augenblick hier bleiben müssen, wenn Sie sich eine Geschichte ersparen wollen. Der schreit ja wie ein Ferkel unterm Schlachtmesser, er muß wieder über die Schwelle gestolpert sein; jedesmal schlägt er der

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