Boese - Horror
aber sie hatte drei Batterien aus einem von Billys alten, ferngesteuerten Autos stibitzt und eine vierte in einer Küchenschublade gefunden, und jetzt spielte das Gerät perfekt. Sie hatte die Lautstärke aufgedreht. George Winston. Normalerweise wählte sie etwas aus, das zu ihrer Stimmung passte, aber heute erschien ihr die Musik völlig ungeeignet. Sie passte zwar zum blauen Sommerhimmel und dem grünen Wald, doch nicht zu Trishs Innerem. Sie fühlte sich hoffnungslos aus dem Takt.
Trish starrte in die Bäume, ohne sie wahrzunehmen. Ihr Bewusstsein war weit weg.
Trish dachte an etwas ganz anderes.
Sie dachte an den Postboten.
Sie hatte Doug nicht erzählt, dass sie den Mann in der vergangenen Nacht gesehen hatte, und auch nichts von dem Albtraum danach, auch wenn sie sich nicht sicher war, warum sie es verschwieg. Es war eigentlich nicht ihre Art, Doug etwas vorzuenthalten. Sie hatten immer eine enge und ehrliche Beziehung gehabt, hatten einander alles anvertraut, hatten ihre Hoffnungen geteilt, ihre Ängste, Gedanken und Meinungen. Doch aus irgendeinem Grund brachte Trish es nicht fertig, mit Doug über den Postboten zu reden. Die Wahrheit war, dass sie nicht mit Doug reden und ihm nicht sagen wollte, was passiert war. Trish hatte sich noch nie so gefühlt, hatte noch nie so etwas erlebt, und es machte ihr mehr Angst, als sie sich einzugestehen bereit war.
Doug hatte an diesem Morgen nicht die Post geholt, ehe er gegangen war, und Trish selbst war zu verängstigt gewesen, um zum Briefkasten zu gehen. Also hatte sie Billy geschickt und ihn von der Veranda aus beobachtet, um sicherzugehen, dass nichts passierte. Billy kam mit drei Briefen zurück: zwei für Doug und einer für sie. Der Brief lag jetzt rechts neben ihr auf dem kleinen Tisch, auf den sie ihren Eistee gestellt hatte. Sie hatte den Umschlag nicht gleich öffnen wollen, obwohl er von Howard kam und sie eigentlich nichts Schlimmes erwartete, und hatte ihn erst einmal beiseitegelegt. Nun nahm sie den Brief in die Hand und riss ihn auf. Er war an sie adressiert, doch in der ersten Zeile stand »Liebe Ellen«. Trish runzelte die Stirn. Das war seltsam. Andererseits hatte Howard in letzter Zeit eine Menge Stress gehabt. Das musste sich schließlich irgendwie zeigen. Sie las weiter:
Liebe Ellen,
es tut mir leid, dass ich am Samstag nicht kommen konnte, aber ich musste zu einem Dinner zu den Albins. Was für ein schrecklicher Abend. Das Essen war schrecklich, das Kind ist ein verzogenes Balg, und Albin und seine Frau sind so stinklangweilig wie immer. Trish, diese scheinheilige Ziege ...
Sie las nicht weiter. Sie fühlte sich, als ob man ihr alle Luft aus den Lungen gesogen hätte und als hätte sie plötzlich ein Loch in der Magengrube. Sie blickte wieder auf den Brief, doch die Worte verschwammen vor ihren Augen, in denen Tränen standen.
Trish war überrascht von der Heftigkeit ihrer Reaktion. Sie war kein allzu empfindlicher Mensch, wenn es um sie selbst oder ihre Kochkunst ging, und sie hatte nichts gegen konstruktive Kritik einzuwenden. Doch diese Art von Verrat ihrer Familie gegenüber - und das von einem Freund wie Howard - schmerzte heftig. Verdammt heftig. Wütend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, faltete den Brief zusammen und steckte ihn in den Umschlag zurück. Howard hatte offensichtlich vorgehabt, sowohl ihr als auch Ellen Ronda einen Brief zu schicken, und unbedacht die Briefe in die falschen Umschläge gesteckt.
Ellen las jetzt zweifellos von dem netten Abend und dem wunderbaren Abendessen, das Howard gehabt hatte.
Normalerweise war Trish nicht so emotional und leicht zu verletzen, aber, verdammt noch mal, sie hatte versucht, Howard durch eine schwere Zeit zu helfen, und dieser hinterhältige Dolchstoß traf sie tief. Sie und Doug hatten Howard stets für einen Freund gehalten. Vielleicht kein enger Freund, aber ein guter Bekannter, mit dem sie beide gerne zusammen waren.
Warum tat er so etwas? Wie konnte er so heuchlerisch sein? Howard war nie ein hinterlistiger oder doppelzüngiger Mann gewesen. Ehrlichkeit war immer seine größte Stärke und zugleich seine größte Schwäche gewesen. Er hatte nie gezögert auszusprechen, was er dachte, ungeachtet der Folgen. Es wäre eine Sache gewesen, hätte Howard offen gesagt, dass er nicht zum Abendessen kommen wollte oder nicht gerne mit ihnen zusammen war oder dass ihm das Essen nicht schmeckte, aber dazusitzen und sie anzulügen ...
Das Telefon klingelte. Trish ließ den
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