Boese - Horror
Brief auf das Tischchen fallen, erhob sich von ihrem Butterfly Chair und eilte über die Veranda ins Haus zurück. Beim fünften Klingeln erwischte sie den Telefonhörer und räusperte sich, um die Gefühle aus ihrer Stimme zu vertreiben. »Hallo?«
»Er ist hinter mir her.« Das Flüstern am anderen Ende der Leitung war voller Panik, an der Grenze zur Hysterie, und zuerst erkannte Trish die Stimme nicht. »Er ist jetzt hier ...«
»Wie bitte?«, fragte Trish verwirrt.
»Ich glaube, er ist jetzt im Haus«, flüsterte die Frau.
Jetzt erkannte Trish die Stimme. Ellen Ronda. Trish war schockiert, wie anders Bobs Witwe mit einem Mal klang. Verschwunden war die kühle Stimme, die Trish gehört hatte, solange sie zurückdenken konnte, verschwunden auch die schmerzerfüllte Verzweiflung am Tag des Begräbnisses. An ihre Stelle war nun Furcht getreten. Panische Angst.
»Wer ist hinter Ihnen her?«, fragte Trish.
»Er hält sich für schlau. Aber ich kann seine Schritte hören.«
»Verlassen Sie das Haus. Rasch!«, sagte Trish. »Gehen Sie irgendwohin, und rufen Sie die Polizei.«
»Die Polizei habe ich schon angerufen. Sie wollten mir nicht helfen. Sie haben gesagt ...«
Ellens Stimme wurde abrupt abgeschnitten, und der tiefe Bariton eines Mannes erklang. »Hallo?«
Trish schlug das Herz bis zum Hals. Sie brauchte all ihren Mut, ihre ganze innere Stärke, um nicht aufzulegen. »Wer ist da?«, fragte sie mit der einschüchterndsten Stimme, die sie zustande brachte.
»Hier ist Doktor Roberts. Wer sind Sie?«
»Oh, Sie, Doktor!« Trish entspannte sich und atmete erleichtert auf. Im Hintergrund konnte sie hören, wie eine männliche und eine weibliche Stimme miteinander sprachen. »Hier ist Trish Albin.«
»Hallo, Trish. Ich habe den Rest Ihres Gesprächs mitgehört. Ellen hat Ihnen gesagt, dass sie verfolgt wird, stimmt das?«
»Ja.«
»Tut mir leid, dass Sie sie gestört hat. Ihre Söhne haben versucht, ein Auge auf sie zu halten, aber sie können Ellen nicht vierundzwanzig Stunden am Tag beobachten, und in letzter Zeit erzählt sie jedes Mal, wenn sich die Gelegenheit bietet, dass sie verfolgt wird.« Er atmete tief ein, und das Atmen kam schwer und rau durchs Telefon. »Ich weiß noch nicht, was wir unternehmen werden. Die Jungs wollen nicht einmal darüber nachdenken, aber ich habe ihnen gesagt, dass ihre Mutter professionelle Hilfe braucht. Ich kann sie nicht einfach nur mit Medikamenten vollpumpen. Und ihre emotionale Situation ist bei weitem zu schlecht, als dass ich als Arzt damit fertig werden könnte. Sie braucht einen Psychologen. Vielleicht muss sie sogar für einige Zeit in eine Klinik. Wer weiß? Ich bin mit Sicherheit kein Experte für diese Dinge.«
»Was ist mit ihr passiert?«, fragte Trish.
»Trauer und Schmerz. Unterdrückte, aufgestaute Gefühle, die plötzlich ein Ventil finden. Wie ich schon sagte, ich bin kein Experte, aber es ist klar, dass Bobs Selbstmo ... äh, sein Tod der Auslöser ist und wie ein Katalysator gewirkt hat.« Der Streit im Hintergrund wurde lauter, hitziger. »Tut mir leid, aber Sie müssen mich jetzt entschuldigen. Ich glaube, hier entwickelt sich gerade ein Notfall. Vielen Dank für Ihre Geduld und Unterstützung. Wir bleiben in Kontakt.«
Er unterbrach das Gespräch, ehe Trish sich verabschieden konnte. Langsam legte sie den Hörer auf. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich schuldig, als hätte sie irgendwie Ellens Vertrauen missbraucht. Es war ein merkwürdiger Gedanke, völlig unlogisch - andererseits war das ganze Gespräch mehr als nur ein wenig seltsam gewesen. Trish war erleichtert gewesen, als der Arzt sich gemeldet hatte, und dankbar die Zügel der Verantwortung weiterreichen zu können, aber sie war nicht in der Lage gewesen, dies aus vollem Herzen oder mit reinem Gewissen zu tun, obwohl sie dem Arzt völlig vertraute.
Trish verließ das Haus, ging auf die Veranda zurück und setzte sich benommen wieder auf ihren Stuhl. Ellen hatte offensichtlich ernste emotionale oder psychische Probleme, doch für einen Augenblick, bevor der Arzt sich gemeldet hatte, hatte Trish tatsächlich geglaubt, dass jemand hinter Ellen her sei ... dass jemand in ihrem Haus gewesen sei ...
Und sie wusste genau, wer dieser Jemand war.
»Wow, jetzt guck dir mal die Titten von der da an.« Lane grinste breit.
Billy lächelte schwach. Sie saßen auf dem Boden im Fort und blätterten die Playboys durch. Normalerweise wäre Billy von der Lektüre genauso gefesselt gewesen wie Lane,
Weitere Kostenlose Bücher