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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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wieder »drauf auf der Nadel«, wie das hieß, wenn einer Opiate, vorzugsweise Heroin, »drückte«, »schoß«, »ballerte« … Dabei warst du ja gerade nicht drauf , nicht einmal schlecht, sondern drunter , standest von Tag zu Tag mehr unter dem Einfluß der Droge, womöglich schon seit jenem, an dem du bei der Triade die letzte Urinprobe abgegeben hattest.
    Nein, du benahmst dich zunächst nicht auffällig, jedenfalls nicht auffälliger als zuvor. Du tatest nichts von dem, wovon ich später in Ratgeberbüchern – etwa für Eltern suchtgefährdeter Kinder – las. Ich entdeckte keine Einstiche oder Hämatome in deinen Armbeugen, weil du dort längst keine Vene mehr fandest und dir den Stoff meistens in die Leisten injiziertest; aber auch das erfuhr ich erst viel später und nicht von dir. Möglich, daß es mir generell an Beobachtungsgabe mangelt, wahrscheinlicher, daß ich deine wortkarge Zurückhaltung, deine Ruhe, dein geringes Interesse an dir, an mir, an den alltäglichen Dingen, deine gemimte oder tatsächliche Furchtlosigkeit einerseits als deine Wesensart interpretierte und andererseitsverdächtigte: Dein zunehmendes Bedürfnis, dich bei mir »anzuwanzen«, wie du es nanntest, wenn du mich in der Nacht kindlich, ohne sexuelles Verlangen, umarmtest, der kalte Schweiß auf deiner Stirn, die Schatten unter deinen rotumrandeten Augen, dein angewidertes Rumstochern in der Quark-Bananen-Pampe, deiner »Sportlerdiät«, die du dir manchmal selbst machtest, manchmal mich zusammenrühren ließest und dann doch meistens an Friede oder mich verfüttertest, das anfallartige Gähnen, das sekundenkurze Weg nicken, alles mögliche hielt ich für Symptome der Krankheit. Du konntest dagegenhalten, was du wolltest, das anstrengende Training, die Hitze, schlechte Laune …, ich glaubte dir nicht, tat bloß so, als hättest du mich überzeugt oder wenigstens beruhigt.
    Und tendenziell stabilisierte sich dein physischer und seelischer Zustand, wenngleich auf niedrigem Niveau, du wurdest sogar ein wenig aktiver. Erinnerst du dich daran, wie du Ende August, während ich in Halensee Blumen verkaufte, mal schnell meine Küche renoviert, genauer jene Wandsegmente überstrichen hast, an denen keine Regale, kein Kühlschrank, keine Duschkabine standen? Ich freute mich, aber nicht, weil die Fettflecke verschwunden waren, sondern weil etwas anderes noch da war, etwas, das du, wenn du gründlicher gewesen wärst, sicher gefunden hättest.
    Harry, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll; womöglich erinnere ich mich auch nicht besonders gut, aus Gründen, die endlich mal genannt sein wollen und für die ich trotzdem etwas Anlauf brauche.
    Du wirktest über jene Sommerwochen, obwohl du nachts wie ein Klammeräffchen warst, um einiges sichererund erwachsener, als kenntest du dich allmählich wieder aus im Leben. Wohl wahr, du gingst deine eigenen Wege, ließest dir nicht in die Karten gucken, doch wenn du dich mir zeigtest, also deine Tür öffnetest oder zu Besuch kamst, dann gleichbleibend gelassen, fast souverän. Vielleicht jammerte ich deshalb weniger, vielleicht hatte ich nur gelernt, die Angst besser zu verdrängen. Oder reizte mich gerade dein Hang zur sexuellen Abstinenz, den ich für einen Ausdruck von Neuorientierung, Heranreifen, Anderes-im-Kopf-Haben hielt? Jedenfalls wollte ich manchmal wieder und verließ mich darauf, daß du mich schon in der gewohnten Weise schützen würdest. Und wirklich, du hast mich nicht einmal zurückgewiesen, allerdings auch nie mehr von dir aus die Initiative ergriffen. – Ich nahm es nicht allzu schwer, denn es war etwas geschehen – und auch das wiederholte sich nicht, obwohl ich später mit System und bedeutend höheren Einsätzen spielte.
    Denkst Du manchmal noch an meinen Lottogewinn? Daran, wie wir an einem Mittwoch im August Friede in einer Salatschüssel badeten und nebenbei der Fernseher lief? Wie mir, als die Nummern gezogen waren, der blöde Spruch vom Pech in der Liebe und dem Glück im Spiel über die Lippen kam und wie verdächtig wenig ich mich freute? Jetzt muß ich dir ja nicht mehr verheimlichen, was mir damals tatsächlich ausgezahlt wurde; nicht die bescheidene Summe von fünftausend in zehn Fünfhunderterscheinen, die ich am nächsten Vormittag vor deinen runden Augen auf den Tisch blätterte und eine Stunde später zur Bank brachte, sondern fast achtzehntausend. Ja, Harry, mit dem Löwenanteil von genau zwölftausendsiebenhundert Mark eröffnete ich ein Sparbuch, das ich,in

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