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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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selber.«
    Diesen Satz fand ich irgendwie blöd, aber doch interessant genug; zumal mit dem Orgasmus auch meine Euphorie abgeflaut war. Ich fragte dich, was genau ein Sempai sei und seit wann du schon Karate machtest. Du mochtest das Thema und fingst an zu schwärmen; daß du schon seit zehn Jahren dabei wärst und daß dir dein Können in Tegel eine Menge Respekt verschafft habe. Und eines Tages würdest du, wahrscheinlich zusammen mit den Klingsbrüdern, ein kleines Studio eröffnen, eine Karateschule für Jungs ab vierzehn.
    Wie das, fragte ich, Eggi ist von Hause aus Ringer und sein Bruder Fälscher.
    »Ja«, meintest du, »deswegen hat er auch genug Kohle, der Elmi.« Und dann erzähltest du von Elmi Kling, der nicht so jung sei, wie ich vielleicht dächte, und sozusagen unser »besserer« Kollege, ein gelernter Noten- und Kupferstecher, der zudem alle Stahlstichtechniken beherrsche und vor dem Knast bei der Münchner Firma Giesecke & Devrient eine »bombig gut bezahlte Vertrauensstellung im Banknotensektor« gehabt habe. »Der Kleine ist ein absolutes As am Griffel, das glaubst du nicht. Wir beide und noch zwei, ein Buchdrucker und ein Reprofotograf, haben in Tegel die Druckwerkstatt bewirtschaftet, die Anstaltszeitung Lichtblick fabriziert und jede Menge Blödsinn. War eine prima Zeit mit Elmi.« Einen Tag nachdem sein Bruder entlassen worden sei, erzähltest du weiter, habe der »sonst so doofe Eggi« dem Elmi in einer Kneipe neben dem Oyama eine »konspirative Privatausstellung« unter dem schönen Titel »Elmis Kassiber« organisiert, »eigentlich nur für betuchte Extegelianer«, doch die hätten ein paar Sammler im »Schlepptau« gehabt. Du wärst auch da gewesen, zusammen mit Frank, und der »völlig von den Socken. Und die Kunstheinis erst, die hättest du mal sehen sollen. Denen sind vor Staunen die Lupen aus den Augen gefallen, haben sich zum Schluß fast gekloppt um die Sachen.« Noch am selben Abend hätte Eggi jede der etwa dreihundert Briefmarken »an den Mann gebracht, mal mit, mal ohne Kuvert, aber mit war teurer. Und nun muß Elmi ackern wie eine Hafennutte, um die Bestellungen abzuarbeiten. Der kommt gar nicht hinterher. Hat sich schon bei Frank erkundigt, ob er nicht einsteigen will.«
    Wie, Briefmarken, fragte ich. Was ist der Witz dabei?
    Und du erläutertest mir detailliert, daß Elmi die Mitteilungen für seine Kumpels draußen eben gerade nicht versteckt, sondern direkt in die Briefmarken hineingeschrieben und – gezeichnet hätte, mit den feinsten, zuvor in diverse Tinten getauchten Kanülen. Richtige, durchlaufend numerierte Comicserien seien so entstanden, und die hätten natürlich den größten Wert für die Elmi-Kling-Fans, die es selbst in Japan gäbe. Etwas derart »Geniales« sei den »stumpfsinnigen Postzensoren logischerweise nicht aufgefallen«, die hätten sich damit begnügt, die Kuverts umzustülpen und die Brieftexte zu deuten.
    Wir lachten in dieser Nacht soviel wie seither nie mehr, ich, weil du lachtest, und du über deinen tollen Freund Elmi, von dem du mir einige Tage später vier unter »c/o Eginhard Kling« an dich adressierte Briefkuverts samt den wirklich sehr listig und komisch manipulierten Marken einer Berlin-Serie der Deutschen Post aus dem Jahr 1986 schenktest, die bis heute, professionell gerahmt hinter eins zu fünf vergrößerndem Spezialglas, zwischen den beiden Fenstern meines Zimmers hängen und die ichals eine Art Notgroschen betrachte, denn sie sind, wie ich herausgefunden habe, mittlerweile so um die fünftausend Mark wert, obwohl oder gerade weil Elmar Kling schon lange tot ist. Woran er starb, weiß ich nicht, auch nicht, ob sein Bruder noch lebt. Als ich vor etwa zwei Jahren mal in der Nähe der auf den Kuverts angegebenen Schierker Straße war, erwog ich, Eginhard zu besuchen, und fand auch gleich die völlig heruntergekommene Nummer 44, doch sein Name stand nicht am Klingelbrett und ebensowenig auf den Briefkästen, weder auf denen im Vorderhausflur noch auf denen in den beiden Hinterhausfluren, und der Seitenflügel war baupolizeilich gesperrt.

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XV
    »Drauf Sein«; der Ausdruck ist einfach nur flapsig und befremdet mich bis heute. Und immer noch wäre es sprachregelwidrig, wenn man Drauf Sein wie Dasein schriebe, obwohl es ein Dasein ist, das Drauf Sein – mit dem einen oder dem gegenteiligen Adjektiv davor; »gut drauf, schlecht drauf«, Hauptsache drauf. Nach dieser – sachlich und bildlich falschen – Idiotenlogik warst du also

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