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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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so mehr lächeltest du. Du sperrtest hinter dem Bretterholz, von dem dir Frank drei Stapel spendiert hatte und das »irgendwann Bett, Tisch und Regal« werden sollte, deine neue Wohnung zu; ich überließ meine auf vorerst unbegrenzte Zeit einer Freundin, die frisch aus dem Osten gekommen war, und mietete über Clara ein Häuschen im Wendland, das eine ihrer Genossinnen, eine Freiburgerin namens Ilona Eisschädel, zu Anti-AKW-Kampfzeiten einem verängstigten Bauern abgekauft hatte, jedoch nur selten nutzte. Es lag, für unsere Zwecke ideal, an einem Waldpfad, die nächste Bushaltestelle fünfzehn Kilometer entfernt. Wir fuhren, samt den drei Koffern voll Fressalien, Zigaretten, Schnaps für mich, mit der Bahn und dann weiter im Taxi bis ans Gartentor. Soll ich dir von dem kalten Entzug erzählen?! Wie dreckig es dir ging, weiß keiner besser als du. Mich zerriß es fast vor Mitleid, obwohl ich sieben Tage lang deine verschissenen Bettlaken in einem Zinktrog sauberschrubbte; immerhin hörtest du nach acht Tagen auf zu toben und konntest am neunten einen Viertelliter Kamillentee trinken, ohne ihn gleich wieder auszuspucken. Nach zwanzig Tagen warst du über den Berg, nach vierzig reisten wir heim, und Ende November 1988 wurdest du wieder rückfällig, dann wieder krank; diesmal so schwer, daß du dich nicht mehr erholtest. Weihnachten und Silvester, den Januar 1989 und den halben Februar verbrachtest du wieder im Urban; ein Karzinom hatte deine Leber befallen, du mußtest operiert, der, wie du meintest, »winzige« Tumor entfernt werden. Doch wegen deiner HIV-Erkrankung konnten sie dich anschließend weder bestrahlen noch den Strapazen einer Chemotherapie aussetzen. »Immerhin«, sagte dein Arzt, habe »sich die Zahl deiner T-Helferzellen ziemlich konstant bei etwa 500 pro Mikroliter Blut eingepegelt«, und du hättest ein »leistungsfähiges Herz«.
    »Ich möchte nach Spanien. Nirgends ist es so schön wie auf Teneriffa. Ich sehe mich am Playa de Los Cristianos im fei nen grauen Sand liegen, zusammengerollt wie eine Viper. Die Sonne brennt herab, und meine schuppige Haut, die dem Sand gleicht, trinkt sie. Ich bin allein, ringsum weder Feinde noch Beute. Ich muß mich nicht bewegen, nicht am Tag und nicht in der Nacht. Ich höre nichts, weder das Meer noch Schiffe oder Vögel, denn ich habe keine Ohren, kein Verlangen, außer dem nach Wärme. Mir kann es gar nicht warm genug sein und nicht still genug. Auch wenn die Sonne geht, ich bleibe liegen, grab mich vielleicht ein bißchen ein im Sand, der die Wärme lange hält. Aber die Sonne geht ja nicht, nur unter. Und morgen kommt sie wieder, und ich bin immer noch da.«
    Deine kleine, helle Moabiter Wohnung, die ich mit Marc so schön gestrichen hatte, sahst du nie wieder. Sie transportierten dich von der Klinik aus in ein nagelneues, von mehreren sozialen Instanzen gemeinsam bewirtschaftetes Projekt für pflegebedürftig gewordene Opiatabhängige und die ersten Aidskranken. Da du beides warst, gehörtest du zu den Pionieren des DIK; und DIK war nichts anderes als die initialisierte Schreibweise von Daheim im Kiez .
    Kiez, der Ausdruck ärgerte dich. Nie hätten Berliner ihre Gegenden Kietz genannt, und diese seltsame Brachlandschaft, in die es dich nun verschlagen habe, sei einem Kiez nicht ähnlicher als einem Kitz. Und damit hattest du verdammt recht. Ich entsinne mich genau meiner ersten Fahrt dorthin; wüst und leer war dieses Areal am Anhalter Bahnhof. Ich sprang, als der volle Bus nur für mich gehalten hatte, von dessen Trittbrett, im letzten Moment, weil ich nicht glauben wollte, daß ich hier richtig sei, schaute mich um und dachte: wie kurz nach dem Krieg; die Bahnhofsruine, ein Stück lückenhafte Stresemannstraße, der eingerüstete Martin-Gropius-Bau und, einen Steinwurf weiter, die Mauer, die von der Westberliner Seite aus nirgends sonst einen derart nackten Anblick bot. Dazwischen verdorrtes Unkraut und ein paar noch ödere Flächen, über denen Tauben, Möwen, Krähen kreisten. Keine anderen Wesen ließen sich sehen, kein Hund, kein Mensch; nicht eine Seele, die ich fragen konnte, wo die Bernburger Straße sei. Aber schließlich fand ich sie allein, obwohl ich schon drei-, viermal an ihr vorbeigelaufen war, denn die Nummern 9 A , B und C der Bernburger Straße befanden sich nicht in der Bernburger, sondern in einem entkernten Hinterhof der Stresemannstraße.
    Du hattest eines der drei Zimmer im zweiten Stock bekommen, ein gutes Zimmer mit einem großen

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