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Böser Bruder, toter Bruder

Böser Bruder, toter Bruder

Titel: Böser Bruder, toter Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narinder Dhami
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Das waren höchstens ein paar Meter. Er muss gleich hinter der Ecke gewesen sein.
    Diesmal gibt er sich keine Mühe, leise zu sein, denn er denkt ja, er hätte mich geschnappt.
    Dabei habe ich ihn geschnappt.
    Ich höre, wie er in den Klassenraum poltert. Sofort schieße ich mit der Krawatte in der Hand aus dem Labor.
    Ich ziehe die Tür hinter ihm zu, schiebe die Schlaufe über die Türklinke und zurre sie mit zitternden Fingern fest. Dann sinke ich auf die Knie und wickle das andere Ende der Krawatte um das Ventil des Heizkörpers, der praktischerweise direkt neben der Tür montiert ist.
    Plötzlich zerreißt ein markerschütternder Wutschrei die Stille. Er zerrt von innen an der Tür und mir rutscht die Krawatte fast aus den Fingern. Mir ist schlecht vor Angst. Ich schluchze und schniefe, während ich die Krawatte an das Rohr knote.
    Die Tür ist nun fest verschlossen. Hoffentlich!
    Langsam und am ganzen Körper zitternd erhebe ich mich. Und stoße selbst einen ohrenbetäubenden Schrei aus, als ich das Gesicht sehe, das sich an die Scheibe oben in der Tür presst.
    Ach du Scheiße! Das ist Lee Curtis!
    Lee Curtis, Zehntklässler, Drogendealer und Kat Randalls Exfreund.
    Lee hämmert mit der Pistole gegen das Glas und brüllt aus vollem Hals. Seine Augen treten hervor, und sein Gesicht ist wutverzerrt. Jetzt sieht er mich, und es verschlägt ihm die Sprache. Ich kann mich nicht regen, nicht einmal den Blick senken.
    Lee starrt mich fassungslos an. Er scheint nicht wahrhaben zu wollen, dass ich es bin, die ihn ausgetrickst hat. »Lass mich raus, du Schlampe!«
    »Ich hab schlechte Neuigkeiten!«, schreie ich plötzlich wie in einem Glücksrausch, obwohl mir Tränen übers Gesicht laufen. »Ich lasse mich nie mehr von dir oder sonst wem einschüchtern!«
    Lee tobt wie ein Raubtier. Ich sehe durch die Scheibe, wie er versucht, seinen Rucksack auszuziehen, während er heftig gegen die Türklinke tritt.
    Da packt mich das blanke Entsetzen. Ich muss unbedingt Hilfe holen, bevor Lee sich seinen Weg frei schießt und sich auf mich stürzt.
    »Jamie!«, kreische ich heiser, als ich herumwirbele und davonrenne. Ich will nach unten ins Erdgeschoss, ein Fenster einschmeißen und die Polizei alarmieren. »Jamie, ich weiß, dass du hier irgendwo bist! Wo bist du?«
    Und dann sehe ich einen grellen Lichtblitz, begleitet von dem lautesten Knall, den ich je gehört habe. Die Tür des Klassenraums platzt aus den Angeln, ich höre das Klirren von Glas, und die Wucht der Druckwelle lässt mich mit dem Kopf voran durch den Gang fliegen. Rauch quillt aus der Tür, ich höre Menschen schreien, und in meinen Ohren klingelt es schrill. Was ist hier los?
    Dann schlage ich schwer auf dem Boden auf.
    Ich sehe Sterne und alles wird schwarz.

Achtzehn
    Montag, 10. März, 14.10 Uhr
    Ich kann Sterne sehen.
    Ich schwebe durch die Finsternis. Hin und wieder leuchtet ein silberner Stern in der Dunkelheit auf, aber wenn ich meine Hand ausstrecke, um ihn zu berühren, entwischt er mir. Dabei zieht er einen Schweif aus Flammen hinter sich her.
    Ich fühle mich schwerelos und entspannt.
    Ich bin glücklich.
    Aber plötzlich werde ich unbarmherzig in die andere Richtung gezerrt. Ich wehre mich, doch mein Gegner ist stärker.
    »Nein!«, rufe ich.
    Rasend schnell werde ich durch Zeit und Raum geschleudert, auf ein grelles Licht zu, das mich verbrennen wird. Ich will dort nicht hin, aber ich habe keine Wahl. Das herrliche Gefühl der Schwerelosigkeit verschwindet, und zurück bleibt ein schwerer, mit blauen Flecken übersäter und übel zugerichteter Körper.
    Ich will etwas sagen, aber ich kann nicht sprechen. Meine Lider flattern und öffnen sich langsam.
    Zuerst sehe ich nur reines Weiß und denke, ich liege auf einer Wolke. Dann erkenne ich, dass ich in einem kleinen, weiß gestrichenen Zimmer bin, in einem Bett mit weißer Bettwäsche. Das Licht ist jetzt noch viel greller, und meine Augen beginnen zu tränen. Ein Schluchzen dringt aus meiner Kehle, und ich kneife die Augen zu.
    »Mia?«
    Ich kenne die leise Stimme an meinem Ohr. Sie gehört Mum. Ich zwinge mich, die Augen wieder zu öffnen, und wende den Kopf. Aber ich sehe nur ihren Umriss, einen verschwommenen Schemen.
    »Gott sei Dank!«, seufzt Mum und bricht in Tränen aus.
    Ich blicke mich um und kann weitere Umrisse ausmachen, die langsam Gestalt annehmen. Schließlich erkenne ich eine Frau in Schwesterntracht, dann einen Mann in weißem Kittel. Ich bin so verwirrt, dass ich erst nach einer

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