Böser Engel
aktives Mitglied blieb. Er hatte mit Sicherheit wenig Mühe, mit dem Club zu kommunizieren, entweder durch Helfer im Knast oder durch Besucher. Sharon, die er im Gefängnis heiratete, besuchte ihn regelmäßig, und auch Clubmitglieder machten ihre Aufwartung. Zwar konnte Barger nicht mehr die täglichen Entscheidungen treffen, aber Ermittler glaubten, dass er dem Club als Richter in letzter Instanz und ziemlich offensichtlich als Berater diente.
Außerdem zeigte der Club der Welt gelegentlich, dass er seinen titellosen Führer nicht vergessen hatte. Er verkaufte Autoaufkleber und T-Shirts mit dem Slogan »Freiheit für Sonny Barger«, und an Sonnys Geburtstag im Jahr 1974 überflog ein Kleinflugzeug Folsom und warf Handzettel ab, auf denen »Happy Birthday, Sonny Barger« stand. Gefängnisbeamte sagten, der Club habe an einem späteren Geburtstag einen Himmelsschreiber engagieren wollen, aber das habe aus unbekannten Gründen nicht geklappt.
Mitte der 70er-Jahre reagierte das Charter Oakland auf den zunehmenden Druck, indem es einige Aktivitäten einschränkte. Daraufhin gab es weniger Festnahmen. »Vielleicht hat Sonny seine Drogenkontakte einem anderen anvertraut, denn die Angels sind so still, dass derzeit vermutlich keine großen Entscheidungen getroffen werden«, sagte ein Ermittler des Bezirks Alameda, nachdem der Club etwa ein Jahr lang kaum aktiv gewesen war. »Sie handeln nicht mehr mit großen Drogenmengen wie früher. Ich glaube, in Oakland wurde auch kein Durchsuchungsbefehl mehr gegen die Angels erlassen, seitdem Sonny einsitzt. Die großen Geschäfte werden jetzt in San Jose gemacht.«
Informanten berichteten, Barger habe den Präsidenten des Charters San Jose, Fillmore Cross, während eines Bass Lake Runs vor seiner Verhaftung zu seinem internationalen Nachfolger ernannt. Wenn das stimmt, war es ein schlauer Schachzug, da sich die Behörden zu dieser Zeit ganz auf Oakland konzentrierten. Zudem war San Jose – mit seinen 495 000 Einwohnern eine der am schnellsten wachsenden Städte des Landes – eine ideale Basis und ein Nährboden für die Unternehmungen des Clubs, vor allem für den Drogenhandel. In San Jose gab es viele kleine Motorradclubs, und ein Obstgarten nach dem anderen musste den für südkalifornische Städte typischen Vorstadt- und Industriesiedlungen weichen. Die vielen Fabrikarbeiter waren traditionell ein gutes Reservoir für Mitglieder und Kunden. Außerdem hatte das Charter einige mexikanisch-amerikanische Mitglieder und unterhielt hervorragende Kontakte zu Drogenhändlern im Südwesten und in Mexiko.
Als Ermittler im Jahr 1974 begannen, sich näher mit San Jose zu befassen, organisierten die Angels dort und in den schnell wachsenden südkalifornischen Chartern sogar eine Anti-Drogen-Kampagne. Sie mieteten Plakatwände und verteilten Autoaufkleber mit dem Slogan »No Hope With Dope«. Angeführt von Bob Lawrence, dem Präsidenten des Charters Los Angeles, und »Crazy« Cross, dem Chef des Charters San Jose, warnten Clubmitglieder Highschool- und College-Studenten vor »harten Drogen« und erregten dadurch bei den Medien große Aufmerksamkeit.
Zudem beschenkten Angels benachteiligte Kinder in L. A. zu Weihnachten mit Spielsachen und spendeten in San Jose Blut. Es gab verständliche, wenn auch nicht genannte Gründe für diese Aktionen: Drogenrazzien hatten die Mitgliederzahl reduziert, die Bruderschaft untergraben und den Club finanziell belastet. Cross erklärte vor Reportern: »Die Jungs arbeiteten nicht richtig, waren keine verlässlichen Mitglieder, erschienen nicht zu unseren Treffen und versäumten es, Beiträge zu zahlen. Man konnte sich nicht auf sie verlassen. Sie waren keine Outlaws mehr, sondern Drogensüchtige.«
Trotz aller Rhetorik wollte der Club den Drogenkonsum nicht wirklich unterbinden, sondern sein Image verbessern, um beim Dealen weniger gestört zu werden. Außer den gemieteten Werbeflächen gab es sehr wenige Anzeichen dafür, dass die Angels sauber geworden waren. Etwa anderthalb Jahre später wurde Cross sogar zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er gestanden hatte, Amphetamin besessen zu haben. Er war Mitglied eines Speed- und Kokainrings im Bezirk Santa Clara gewesen, den Biker betrieben hatten.
Trotz der Heuchelei waren die Anti-Drogen-Feldzüge bezeichnend, denn sie bewiesen, dass die Kommunikation und die Koordination im Club immer noch intakt waren. Und sie zeigten, dass der Club nicht zum Untergang verurteilt war, nur weil seine
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