Böser Engel
Führer im Knast saßen. Vielleicht hatte kein Mitglied das Charisma, das organisatorische Talent und das weltweite Ansehen Sonny Bargers, doch Sonny hatte eine komplexe und trotzdem leicht zu wartende Maschinerie zurückgelassen. Diese war in den Berichten der Justizbehörden zwar ausführlich analysiert worden, aber niemand war in der Lage, sie zu zerstören. Der Hauptgrund dafür war, dass es nur wenige Informanten gab, erst recht nicht in Positionen, in denen sie den Club hätten gefährden können. Ein Drogenermittler in Oakland sagte dazu: »Früher hätte George das gesamte Charter hochgehen lassen können. Aber damals war er noch nicht bereit zu reden.«
Eine raffinierte Aktion der Bundesbehörde für Alkohol, Tabak und Schusswaffen im Finanzministerium kam einer Unterwanderung wohl am nächsten. Im Rahmen des Programms »Omega«, das von 1973 bis Anfang 1975 lief, gründeten zwei Dutzend Agenten – etwa die Hälfte davon in Kalifornien – eigene Motorradclubs und freundeten sich mit den Angels und einigen anderen Outlaws an. Ermittler sagten, Don M., ein Fotograf und Oakland-Angel, dem eine Anklage drohte, habe in der Hoffnung auf Strafmilderung einige Agenten ins Charter eingeschleust. Als die Beamten eine Weile mit den Angels herumgefahren waren, flogen sie aus irgendeinem Grund auf. Doch ehe die Angels etwas unternehmen konnten, erfuhr die Behörde dank eines Fehlers der Post von der Entdeckung. Ein Foto, das für ein Postfach der Hells Angels in Los Angeles bestimmt war, landete versehentlich in einem benachbarten Fach, und dessen Inhaber brachte es zur Polizei. Auf dem Gruppenfoto mit Bikern hatte jemand einen Kreis um Don M. gezeichnet und »Spitzel« daruntergeschrieben. Ein Agent war ebenfalls markiert und als »Bulle« bezeichnet worden. Die betroffenen Agenten wurden sofort abgezogen, und Don M. erhielt im Rahmen des bundesstaatlichen Zeugenschutzprogramms eine neue Identität. Da die Agenten einige Male Kokain und andere Drogen gekauft hatten, wurden mehrere Angels verhaftet. Der größte Erfolg der Aktion waren jedoch die gesammelten Informationen.
Die Zeit von 1973 bis 1975 war eine entscheidende Phase für die Hells Angels. Sie hätten ihre illegalen Aktivitäten einschränken und ein einigermaßen normaler Club werden oder in den Untergrund gehen, ihre Motorräder und Kutten einmotten und Geschäftsanzüge kaufen können. Und sie konnten unverändert so bleiben, wie sie waren – genau wie ihre Harleys.
Da die Angels ihre Motorräder und ihren Lebensstil nicht aufgeben wollten, schlossen sie einen Kompromiss. Sie taten im Wesentlichen, was sie immer getan hatten, jedoch unauffälliger. Außerdem gab es einige Machtverschiebungen. Ermittler berichteten, der Club habe sich seit 1975 geografisch und zahlenmäßig vergrößert, handle jedoch weiter in großem Umfang mit Drogen, vor allem mit Amphetamin und Kokain. Wie konventionellere Syndikate im Bereich des organisierten Verbrechens scheut der Club die Öffentlichkeit und ist in neue illegale Geschäftsbereiche vorgestoßen, obwohl man ihn gewiss nicht mit der Mafia vergleichen kann. Außerdem gab es weitere Hinweise darauf, dass Angels einander bei internen Streitigkeiten umbringen.
Im Jahr 1977 hatte der Club Charter in Oakland, San Jose, Daly City, Richmond, San Francisco, Vallejo, Sacramento, Los Angeles, San Bernadino und San Diego sowie in den Bezirken Sonoma und Marin, alle in Kalifornien. Außerdem gab es Charter in Omaha, Cleveland, New York City und Buffalo, Bridgeport in Connecticut, Durham in North Carolina, Lowell in Massachusetts und in Alaska. Nach eigenen Angaben hatten die Angels auch Charter in der Schweiz sowie in Österreich, England, Westdeutschland, Australien und Neuseeland gegründet. Die Zahl der Mitglieder wurde geheim gehalten, aber die Justiz schätzte sie auf 350 bis 500 in Kalifornien und 750 bis 1000 weltweit, ohne die vielen Anwärter und die noch zahlreicheren Mitläufer.
Die Hells Angels galten immer noch als größter und mächtigster Outlaw-Club der Welt. Als mehrere Veteranen aus dem Gefängnis entlassen wurden und der Club einige neue Mitglieder gewann, hatte das Charter Oakland wieder fast vierzig Mitglieder. San Jose behielt seine starke Position, und die zentral gelegenen Charter zwischen San Francisco und Sacramento waren überaus aktiv. Die Region Richmond-Vallejo schien Ende 1976 und Anfang 1977 der Mittelpunkt dieser Aktivitäten zu sein. Ein Indiz dafür war die Verhaftung von vier
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