Böser Engel
sie mir tatsächlich Paroli – und ich ließ es ihr durchgehen.
Natürlich fürchteten wir alle immer noch, dass der Club oder unsere Freunde uns aufspüren könnten. Manchmal sah ich auf der Straße eine verdächtige Person, die Erinnerungen in mir weckte. Dann drehte ich mich um und ging in die andere Richtung, um diesen Menschen aus der Ferne zu beobachten. In vielen Albträumen wurde ich erschossen, und Helen geriet jedes Mal in Panik, wenn sie in den Nachrichten von Leuten hörte, deren Auto beim Start in die Luft geflogen war, oder wenn sie solche Szenen in Filmen sah.
Akuter war jedoch die Furcht aufzufliegen. Wir gaben uns größte Mühe, die neue Lebensgeschichte immer korrekt wiederzugeben, und die Kinder stellten sich dabei ebenso geschickt an wie Helen und ich. Mehr als einmal deckten oder berichtigten sie uns, wenn wir versehentlich Einzelheiten aus unserer Vergangenheit preisgaben.
Da Bobby ein paar Jahre jünger war, blieb er öfter zu Hause als Donna, die sich in der Mitte ihrer Teenagerzeit befand. Helen und ich gaben eine Party für sie und spielten bei ihrem ersten Tanzabend an der Highschool die Aufpasser. Ich tat mein Bestes, um ein anständiger Ehemann und Vater zu sein.
Schläge und Einschüchterung gewöhnte ich mir ab, und einmal hielt ich mich sogar im Zaum, als einer von Helens Kollegen sich an sie ranmachte. Früher hätte ich diesen Kerl krankenhausreif geprügelt, doch nun arbeitete ich an meiner Selbstbeherrschung und lernte, mich so zu benehmen wie ganz normale Leute. Ich muss mich immer noch anstrengen, sanftmütiger zu sein, denn das ist schwer, wenn Waffen so viele Jahre lang zum täglichen Leben gehört haben. Als ich zum ersten Mal in die Gesellschaft zurückkehrte, machte ich mir Sorgen, weil ich keine Waffe besaß. Heute kann ich Waffen nicht ausstehen – sie machen mich nervös.
Auch von Drogen hielten wir uns fern, denn eine einzige Ausnahme hätte uns in den Sumpf des täglichen Konsums zurückziehen können. Natürlich wurde uns bei geselligen Veranstaltungen manchmal Marihuana angeboten, aber wir lehnten stets ab und gaben uns Mühe, solchen Versuchungen aus dem Weg zu gehen. Besonders frustrierend war, dass wir anderen Leuten, vor allem jungen Menschen, nicht von unseren eigenen Erfahrungen und quälenden LSD-Flashbacks erzählen durften, um sie vor den zerstörerischen Folgen des Drogenkonsums zu warnen.
Ein Jahr nach Beginn unseres neuen Lebens hatten wir wieder Fuß gefasst und brauchten die finanzielle Unterstützung des Staates nicht mehr. Ich hatte mich inzwischen selbstständig gemacht und verdiente überdurchschnittlich gut. Auch Helen arbeitete hart, und die Kinder bekamen gute Noten. Wir waren stolz darauf, dass wir uns einen sicheren Platz in einer fremden Umgebung geschaffen hatten. Wir lebten in einer angenehmen Gegenwart und sparten für die Zukunft – denn wir träumten wieder von 60 Hektar Land.
Nachwort
»Dies ist der Anfang vom Ende der Hells Angels.«
Duncan James, 60 Staatsanwalt des Bezirks Mendocino im Jahr 1972
»Wir werden größer und besser.«
Ralph »Sonny« Barger 1977 im Gefängnis Folsom 61
D as Jahr 1972 hätte durchaus den Niedergang der Hells Angels einleiten können. In dem Vierteljahrhundert nach der Gründung des Clubs in Fontana in Kalifornien durch einige abenteuerlustige ehemalige Weltkriegspiloten hatten die Angels Phasen relativer Unauffälligkeit, öffentlicher Entrüstung, zahlloser Ermittlungsverfahren und strafrechtlicher Verfolgungen, schlechter Presse und unverhohlener Schikanen überlebt. Doch 1972 beförderte ein noch nie dagewesenes Trommelfeuer von Strafverfahren die wichtigsten Führer in Gefängniszellen.
In Oakland wurde Barger zu zehn Jahren in einem Bundesgefängnis verurteilt, nachdem er schwere Drogendelikte, Steuerhinterziehung und unerlaubten Waffenbesitz gestanden hatte. 62 Sir Gay, Anfang der 70er-Jahre Bargers Stellvertreter, wurde im Februar 1973 wegen des Besitzes und Verkaufs von Kokain und des Besitzes weiterer gefährlicher Drogen mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren belegt. Hinzu kamen sechs Monate bis 15 Jahre im Bezirk Sacramento, ebenfalls wegen Drogenbesitzes. Gary Popkin, Sir Gays Partner, trat 1973 eine Gefängnisstrafe wegen des Besitzes gefährlicher Drogen an, und Bert Stefanson, damals Schatzmeister, wurde wegen des Besitzes und Transports von Kokain und Sprengstoff zu einer fünfjährigen bis lebenslangen Gefängnisstrafe verdonnert. Auch das Charter Richmond
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