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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Wethern
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Außenseiter, die sich mit anderen Außenseitern verbündeten. Diese Leute hatten keine Ahnung, worum es uns ging.
    In Wirklichkeit waren wir von Anfang an Abzocker. Wir gingen in der Haight auf Schatzsuche und machten reiche Beute: Kleider, Möbel, Drogen und Frauen. Meist benutzten wir subtile Muskelkraft oder rohe List – die Wahl hing von der Persönlichkeit der Betroffenen und von den Umständen ab. Zorro und Okie gehörten hierin zu den Besten.
    Der schlanke, 1,85 Meter große Zorro war schon als Kind ein Schwindler am Billardtisch gewesen. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er zwei Jahre alt war, weshalb er bei Mutter und Großmutter aufwuchs, die ihn in katholische Schulen schickten. Mit 13 stand er weitgehend auf eigenen Füßen und landete ziemlich bald auf der Straße. Er war Brasilianer, hing aber in Billardhallen oft mit Schwarzen herum. Die Liste seiner Verhaftungen reichte zurück auf einen Autodiebstahl im Jahr 1957, aber er wurde auch wegen kleinerer Delikte geschnappt. Seine Ehe zerbrach 1962 nach zwei Jahren und zwei Kindern. Das trieb ihn in den Club. Da er nie ein richtig harter Bursche gewesen war, erwarb er sich einen Ruf als Trickbetrüger. Er prahlte damit, in einem Jahr 23 000 Dollar verdient zu haben, indem er sein Motorrad zum Kauf angeboten, Zahlungen oder Anzahlungen eingestrichen und die Maschine dann behalten habe. Der Club war sein Heiligtum.
    Okie, 1,72 Meter groß und 63 Kilo schwer, hatte ebenfalls eine unglückliche Kindheit hinter sich. Als Teenager musste er in Tulsa, Oklahoma, den Jockey spielen, und wenn er ein Rennen verlor, schlug ihn sein Vater. »Mein Vater fand immer einen Grund, mich zu verprügeln«, schrieb er einmal einem Bewährungshelfer. »Ich tat kaum etwas anderes, als an Pferderennen teilzunehmen und zu raufen. Meine Familie wollte mich meist nicht bei sich haben. Ich schlief oft auf der Treppe, wenn mein Vater Besuch hatte.« Von 1957 bis 1958 wurde er nach einem Autodiebstahl in eine Erziehungsanstalt geschickt. Dann folgte ein weiteres Jahr Haft, weil er eine Werkzeugkiste gestohlen hatte. Nach dem Ende seiner Karriere als Jockey zog er in die Bay Area und arbeitete in einer Reparaturwerkstatt für Motorräder, in einem Ledergeschäft in Berkeley und in einem Haushaltswarenladen. In der Haight nutzte er sein flottes Mundwerk, um sich mit den Bohemiens anzufreunden und ihnen ihre Habe abzuschwatzen.
    Zorro, Okie und viele andere waren erfolgreiche Gauner, weil so viele Leute sich dem Club fügten. Hippies boten ihnen Gastfreundschaft und sogar Bargeld an, nur um lose Bande zum Club zu knüpfen. Sie wussten, dass sie nur mit uns gesehen werden mussten, um einen gewissen Schutz und Status zu genießen. Es wurde Mode, einen Angel zu seiner Drogen- oder Cocktailparty einzuladen. Wenn wir mal handgreiflich wurden, sah man aus verständlichen Gründen darüber hinweg. Und wer einen Angel verpfiff, musste die Rache des Clubs und der Haight-Gemeinde fürchten, die auf Polizeiaktionen äußerst empfindlich reagierte. 19
    In diesem komplexen Kräftespiel wurden viele Chancen auf enorme Profite verpasst. Ein Joint war ein einmaliges Geschäft, aber gute Geschäftspraktiken konnten für ständige Einnahmen sorgen. Wenn ich das Vertrauen der Leute in der Haight, in Berkeley und auf anderen Drogenmärkten gewann, konnte ich die Organisation und die mystische Aura des Clubs verkaufen und den Namen »Hells Angels« als landesweit bekanntes Markenzeichen verwenden, das Sicherheit und Zuverlässigkeit garantierte – genau das, was die drei Dealer an der Tankstelle gesucht hatten.
    Zunächst aber musste ich andere Mitglieder davon überzeugen, dass Ehrlichkeit im Geschäft sich langfristig auszahlte. Zorro war der Erste, dem ich Anschauungsunterricht gab. »Hier sind die 20 Dollar, die du mir neulich geliehen hast«, sagte ich und reichte ihm den Schein. »Und hier sind die Zinsen«, fügte ich hinzu und gab ihm weitere 500 Dollar.
    »Wofür ist das denn?«, fragte er erstaunt.
    »Ich will dir zeigen, wie man ein gutes Geschäft macht, ohne den Leuten in die Tasche zu greifen oder ihnen das Hemd auszuziehen. Behandle die Leute korrekt, und sie machen Geschäfte mit dir.«
    Zorro hörte zu und wurde mein Mitarbeiter im Verteilergeschäft. Sein ernstes, verschlagenes Aussehen und seine dunklen, stechenden Augen waren nützliche Vorzüge. Wie eine zusammengekringelte Schlange brachte er die Kunden aus dem Gleichgewicht, sodass sie ein wenig nervös waren, wenn ich Preise

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