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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Wethern
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die Hand, und ein Mädchen, das bei ihnen war, küsste und umarmte mich. Es war ein ehrlicher Deal.
    Sie träumten von Spaziergängen auf einem Regenbogen und Töpfen voller Geld, als jeder von ihnen sich einen Trip einwarf und sie mit ihrem chemischen Schatz über die Bucht nach Haight-Ashbury fuhren.
    Das Haight wuchs rasch zu einem besonderen Stadtteil San Franciscos heran. In den 60er-Jahren hatten Bohemiens, die von der Polizei und von Touristen aus der Grant Avenue in North Beach vertrieben worden waren, die viktorianischen Häuser am Ostende des Golden-Gate-Parks bezogen. Um 1966 verwandelte sich die Einkaufsmeile an der Haight Street, einst die Domäne der Mittelschicht, in einen begehbaren Zirkus. Die Menschen redeten davon, sich selbst zu finden, trugen aber einen Mischmasch aus Indianer-, Heilsarmee- und Cowboykostümen. Sie gingen barfuß oder trotteten in Großmutterkleidern, weißen Laken, Sandalen und Stiefeln herum und schmückten sich mit Stirnbändern, Stetsons, Perlen, breiten Gürteln, Fransen, Zöpfen und importierten oder improvisierten Gewändern aller Art. Alle lächelten einander an, nickten sich zu wie Kleinstädter und besuchten Headshops. Dort bekamen sie jede Woche neue und exotischere Jointhalter, Hasch- und Wasserpfeifen, Poster, Lederwaren, Räucherstäbchen sowie mit Flüssigkeiten gefüllte Dinger aus Glas oder Kunststoff, deren einziger Sinn und Zweck es war, Bekiffte zu verzücken. Zur Musik der Registrierkassen, Flöten, Mundharmonikas, Gitarren und Automotoren im Leerlauf sangen Straßendealer das Mantra »LSD, Gras, Hasch – LSD, Gras, Hasch ...« Geld, Weinkrüge, Tabletten, Billigschmuck und lustige, selbst gedrehte Zigaretten wechselten überall die Hand, und die süßen, illegalen Düfte vermischten sich mit einem Zauber, der Menschen dazu brachte, Fremde als »Brüder« und »Schwestern« anzureden.
    Nicht alle glaubten an diese Magie. Dennoch pilgerten Tausende in das Viertel, um das lustige Treiben mit eigenen Augen zu sehen. Schüler legten die kurze Strecke quer durch die Stadt in Bussen zurück. College-Studenten tauchten an Wochenenden auf. Ausreißer, Aussteiger und Herumtreiber zogen auf die Straße und hofften, ihre Lieder von Blumen, Liebe und warmen Nächten in San Francisco würden wahr. Die größten Idealisten, die nach einem Ort suchten, an dem Arbeit und Vergnügen ineinander übergingen und Sex und Liebe für jeden verfügbar waren, wurden größtenteils enttäuscht. Wer sich aber damit begnügte, um Essen und Unterkunft zu betteln, konnte überleben.
    Der institutionelle Rahmen der Szene bestand im Wesentlichen aus der Zeitung Oracle , der Haight-Ashbury Free Medical Clinic, den Haight Independent Proprietors und den wohltätigen Diggers, die Schlafplätze und Essen verteilten (aus weggeworfenen Eintopfdosen oder einfaches Brot, das in Kaffeebechern gebacken wurde). Wie Kirchgänger versammelte sich die Gemeinde in den Eukalyptuskathedralen oder Graskorridoren des Panhandle-Parks, um kostenlose Konzerte von Jefferson Airplane, Grateful Dead und anderen lokalen Bands zu hören, die auf Tiefladern spielten. Man spürte den Geist der Erleuchtung, und nicht nur die Musik war elektrisch aufgeladen.
    Der Club spielte in der Straße der Blumenkinder, die sich weder um Gott noch um das Vaterland kümmerten, eine rätselhafte Rolle. Warum traten die hakenkreuztragenden Angels – die für ihre Gewaltbereitschaft und ihre Angriffe auf Friedensmärsche bekannt waren – zusammen mit Ginsberg, dem LSD-Hohepriester Tim Leary, den Diggers und anderen Verfechtern der Einheit aller Menschen als Mitveranstalter des »World’s First Human Be-In« auf?
    Nun, die Angels beteiligten sich an diesem Musikfest für 20 000 weiße Blumenrevolutionäre aus der Mittelschicht, weil sie sich selbst als Opfer bürgerlicher Vorurteile sahen. Aber was hielt der Club vom später ausgerufenen »Sommer der Liebe«, der fünfmal so viele Teilnehmer erwarten ließ?
    Einige Mitglieder, vor allem die Ausgeflippteren aus San Francisco, hegten echte Sympathie für die Hippies. Aber die meisten Angels wollten die Szene nur ausbeuten, so wie Ken Kesey und die Drogenchemiker uns ausbeuteten. Die Wunschdenker glaubten, dass wir die Blumenkinder beschützten und eine Polizei der Gegengesellschaft spielten, die dank massiver Präsenz alle Straßengauner davon abschrecken würde, diese sanften Geschöpfe auszuplündern. Zudem galten wir als alte Feinde des amerikanischen Mainstreams, als

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