Böser Engel
Chefbarkeeper, Manager, Rausschmeißer und Modernisierungsbeauftragter. Meine Mitarbeiter suchte ich mir unter den Angels aus der Umgebung aus, die ins neue Stammlokal strömten. »Okay, Jungs«, bellte ich etwa ein Dutzend Männer an. »Wir brauchen ein Loch in dieser Wand.« Sie traten so lange gegen die Wand, bis diese zusammenbrach. Nachdem sie die Wandpfosten mit bloßen Händen herausgerissen hatten, brachten wir einen Rahmen an und hatten nun einen Durchgang zum Café im Nebenraum, in dem es einen Billardtisch, Münzautomaten und Sitzgelegenheiten gab.
Dann tobten Skip und ich uns in der Toilette mit Sprühfarbe im Wert von hundert Dollar aus. Wir attackierten uns gegenseitig und besprühten die Wände mit grässlich phosphoreszierenden Farben. Manchmal taumelten wir hinaus, um mehr Drogen oder mehr Farbe zu holen. So verbrachten wir den ganzen Tag. Aber das Gesundheitsamt ordnete einen neuen Anstrich mit weißer Farbe an.
Das Lokal war mit Filzstiftkritzeleien dekoriert, hauptsächlich mit Bikerpoesie oder Kraftausdrücken wie dem riesigen »Fuck You« über der Bar. »Freewheeling Frank«, ein Angel aus San Francisco, der im Gefängnis malen gelernt hatte, versprach mir, ein 1,80 Meter großes Kaninchen wie in Alice im Wunderland zu zeichnen, doch vorher verewigten sich andere an der Wand – mit einem hintergründigen Slogan, einem Namen oder einer Zeichnung. Totenköpfe und Motorräder verrieten langes Üben in Gefängniszellen. »Angels forever, forever Angels« und »Wenn Waffen für ungesetzlich erklärt werden, haben nur Angels Waffen. Yeah!« waren ebenfalls vertreten. Es gab keine Zensur, aber alle mussten sich an die Clubregeln halten, auch Nichtmitglieder. Meine Partner und ich erläuterten die Hausordnung: »Keine Prügeleien im Haus. Auch keine Drogen. Wenn ihr welche habt und wir durchsucht werden, dann schluckt ihr das Zeug. Nichts darf auf dem Boden liegen, wenn die Cops kommen, sonst wird der Club dafür verantwortlich gemacht.«
Wenn ich Bier zapfte, dachte ich manchmal daran, dass mein Vater in der City gerade dasselbe tat, wenn auch in einer völlig anderen Umgebung. Das Angels Inn war einzigartig. In jeder anderen Kneipe hätte die Anwesenheit so vieler Typen, die ihren üblen Ruf und ihre Aggressivität auf dem Rücken trugen, zu Prügeleien, nicht zu herrlicher Bruderschaft geführt. Bei uns rief niemand beim ersten Schubs die Polizei, niemand hatte den Finger an einem verborgenen Alarmknopf, und niemand verließ das Lokal, weil Angels da waren. Wie jedermann liefen wir immer dann zu Höchstform auf, wenn wir uns sicher fühlten. Dann waren wir gut gelaunt und wild, stampften mit den Füßen und wieherten vor Lachen. Die Atmosphäre war fröhlich und angeregt, und sogar meine Frau fühlte sich dort wohl: Sie tanzte, schob Vierteldollars in die Musikbox, half mir, Getränke über die Bar zu schieben, und ließ sich von Durt und anderen Mitgliedern Billardunterricht geben.
Auch die Presse berichtete über den Club, vor allem über mich, obwohl unser Unternehmen letztlich keinen Bestand hatte. Aber die Öffentlichkeit sollte uns bald überlebensgroß und in Farbe erleben. Im März 1967 wurden Dutzende von uns für den Film Hells Angels on Wheels (deutsch Die wilden Schläger von San Francisco ) angeheuert, der als erster Film den offiziellen Segen des Clubs erhielt. Frühere Filme hatten ebenfalls von unserer Popularität als skrupellose Antihelden profitiert. Aber bei manchen war es versäumt worden, uns dafür zu bezahlen, dass sie unser Image benutzen durften, und einige beleidigten uns einfach. Einmal reichte der Club sogar im Namen von 22 Mitgliedern eine Klage wegen Verletzung der Privatsphäre ein und behauptete, seine Mitglieder seien in dem Hollywoodstreifen Die wilden Engel , mit Peter Fonda und Nancy Sinatra, als »heimtückische, gesetzlose und völlig verkommene« Menschen dargestellt worden.
Helen und ich waren in den ersten authentischen Minuten von Hells Angels on Wheels als »Darsteller« zu sehen. In diesem Film von U. S. Movies, den Joe Solomon produzierte, spielte Jack Nicholson die Hauptrolle. Nachdem Solomon mit der Arbeit begonnen hatte, gab ihm die Highway Patrol Sonnys Telefonnummer, und er versicherte Sonny, der Film werde den Club authentisch darstellen. Außerdem war der Produzent bereit, jedem Mitglied fünfzig Dollar am Tag zu zahlen sowie Sonny eine Beratungsgebühr, mit der dieser illegales Einkommen kaschieren konnte.
Am Morgen des ersten Drehtags
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