Boeser Traum
dass ich da eingeschlossen sitze und ganz real âºgefangenâ¹ bin, macht mir irgendwie Angst.«
Emilia schiebt ihre Sonnenbrille nach hinten, will ihrer Freundin direkt in die Augen gucken. Zu spät erinnert sie sich daran, dass sie heute die Haare mit viel Gel nach hinten gestylt hat.
»Mist«, flucht sie und versucht mit dem Handtuch den Schmierfilm von den Gläsern zu bekommen. Natürlich macht sie damit alles noch schlimmer. Vielleicht fällt ihre Antwort deswegen etwas zynischer aus als geplant.
»Natürlich. Und wenn du zufällig vorher entdeckt wirst und du den Schlüssel in der Tasche hast, sagst du einfach, den hätten dir die Entführer gegeben, damit du ein bisschen spazieren kannst, wenn dir langweilig ist. Am besten lassen wir die Tür zum Keller einfach offen stehen und einen Fernseher stellen wir dir natürlich auch da rein.«
»Emmi, bitte! Fändest du es nicht beunruhigend, da eingeschlossen zu sitzen?«
»Nicht wenn ich wüsste, dass du einen Schlüssel hast und dich um mich kümmerst. Was mich viel mehr beunruhigt, ist die Vorstellung, dass du demnächst Hunderte Kilometer von mir entfernt lebst.«
Die Temperatur zwischen den beiden Mädchen ist spürbar gefallen.
»Vertraust du mir nicht?«, fragt Emilia nach einer langen Pause und ihre Stimme klingt ganz sachlich.
Charlotta rollt sich näher an die Freundin ran. »Natürlich vertraue ich dir. Wem sonst?«
Sie gucken sich sehr direkt an. In dem Blick liegt ihre ganze lange gemeinsame Geschichte, ihre tiefe Nähe. Plötzlich kichern beide und sagen wie aus einem Mund: »Wer einen solchen Freund hat, muss sich vor gar nichts fürchten.«
Das war immer ihre Geschichte. Der kleine Bär und der kleine Tiger auf dem Weg nach Panama. Sie konnten sich nur nie einigen, wer der Bär sein sollte.
Irgendwann lässt sich der Aufbruch nicht mehr hinauszögern. Sie haben beide schon Gänsehaut auf dem leichten Sonnenbrand. Als Charlotta ihre Sachen in die Tasche wirft, registriert sie im Augenwinkel eine Bewegung. Sie dreht den Kopf und sieht Mats. Sie war sicher gewesen, dass alle anderen schon gegangen waren. Irritiert guckt sie ihn an. Als er ihr leicht zulächelt, wendet sie sich schnell wieder ihrer Tasche zu. Hatte er ihr nicht letzte Woche im Bus auch so zugelächelt und einen Platz frei gehalten? Es ist zwei Wochen her, dass sie sich im Supermarkt um die Ecke getroffen und kurz miteinander gequatscht hatten. Er war zwar eine Stufe über ihr, aber gar nicht herablassend. In dem Gespräch hatten sie festgestellt, dass sie beide nur einen Steinwurf voneinander entfernt wohnten. Dreimal waren sie sich dann noch zwischen Tiefkühltheke, Gemüse und Brot begegnet, und Charlotta hatte das Gefühl, dass das kein Zufall gewesen war.
Während Charlotta jetzt neben Emilia zu den Rädern geht, spürt sie, dass Mats auch auf dem Weg zum Ausgang ist. Sie fühlt seinen Blick auf ihrem Rücken und täuscht sich nicht. Als sie ihr Schloss öffnet, spricht er sie an. »Ihr konntet heute auch nicht genug kriegen, was?«
Sein Lachen ist offen, fröhlich und so ehrlich. Nebenbei schiebt er sein Rad neben ihre Räder.
»Und du gibst jetzt hier unseren Bodyguard, oder was? Eigentlich brauchen wir keinen Aufpasser«, ätzt Emilia ihn an und Charlotta schämt sich. Warum ist ihre Freundin so biestig?
»Ich dachte eigentlich, ihr seid meine Beschützer! Vielleicht kann ich ja in eurem Windschatten fahren?«
»Schmal genug dafür bist du ja«, giftet Emilia weiter.
Charlotta guckt sie an und zieht die Augenbrauen hoch. Hat Emilia ihre Tage? Aber Mats lässt sich von dem blöden Spruch nicht die Laune verderben. Als sie vom Parkplatz runter sind, schwingt er sich wie die Mädchen auf sein Rad und fährt neben ihnen her.
Als Emilia zehn Minuten später in die Bremsen geht, fühlt Charlotta sich unwohl. Sie und Mats müssen jetzt rechts abbiegen. Emilia muss weiter geradeaus. Charlotta bremst auch langsam. Sie steht Emilia gegenüber. Mats wartet ein paar Meter weiter. Sie würde gern noch ein paar Worte mit Emilia allein wechseln, aber Mats zu sagen, er könne schon mal fahren, wäre total unfreundlich. Womit sollte sie das begründen? Sie und Emilia müssten noch was besprechen? Sie haben gerade einen ganzen Tag gemeinsam verbracht. Was ist da ungesagt geblieben?
Sie gibt Emilia einen
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