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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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»Was ist los? Ärger? Muss ich Angst haben vor deinem Zeugnis?«
    Emilia tritt vor ihre Schultasche. »Ist das deine einzige Sorge? Dass ich eine Fünf auf dem Zeugnis haben könnte? Was anderes interessiert dich nicht, was?« Emilia weiß, dass sie ungerecht ist, aber es ist ihr egal.
    Ganz sanft zieht die Mutter die Tochter in die Küche, drückt sie auf einen Stuhl, setzt sich ihr ganz nah gegenüber und wartet.
    Â»Lotta soll nach den Ferien auf so ein Scheißinternat in Frankreich«, sagt Emilia irgendwann.
    Dagmar Engels streichelt die Hand der Tochter. »Ich weiß. Claudine und Uwe haben sich diese Entscheidung echt nicht leicht gemacht. Aber was ihr da so in Französisch macht, ist für Charlotta einfach zu wenig. Selbst das Niveau im Leistungskurs lässt zu wünschen übrig, findet Claudine.«
    Â»Du wusstest das?« Emilia zieht ihre Hand ruckartig weg.
    Â»Ja, Claudine hat mit mir darüber gesprochen. Und wir glauben fest, dass eure Freundschaft das aushalten wird. Ihr könnt euch mailen, unsere Telefonrechung wird ungeahnte Höhen erklimmen und vielleicht kannst du sie in den Ferien ja mal besuchen.«
    Â»Ihr denkt euch das alles immer so hübsch aus. Ihr entscheidet mal eben. Als wären wir Marionetten. Als wären wir Kleinkinder, die man nach Belieben anzieht und zum Kinderturnen schickt. Vielleicht habt ihr es noch nicht mitbekommen, aber wir sind keine kleinen Kinder mehr. Wir wissen selber, was wir wollen.«
    Emilia ist aufgestanden. Als sie im Türrahmen ist, dreht sie sich noch mal um. »Und wir werden es auch bekommen.«
    Das Klirren von Gläsern, das Kratzen vom Besteck ist bis in Emilias Zimmer zu hören. Emilia liegt neben Charlotta auf dem Boden. Die Freundinnen haben definitiv keine Lust auf diesen gut gelaunten Grillabend unten im Hof. Sie spielen ihr Spiel. Sie einigen sich auf einen Buchstaben. Dann nennen die Mädchen Namen von Freundinnen, Bekannten, Lehrern, egal wem – und die andere muss dann eine passende Eigenschaft zu der Person mit dem Buchstaben finden. Sie fangen heute mit »a« an.
    Â»Paula«, sagt Emilia.
    Â»Arrogant, angeberisch, aalglatt«, antwortet Charlotta wie aus der Pistole geschossen.
    Â»Eine Eigenschaft hätte gereicht«, grinst Emilia.
    Â»Herr Schröder«, sagt Charlotta.
    Â»Alt«, findet Emilia.
    Â»Alt? Der ist höchstens dreißig. Ich hätte schwören können, du sagst attraktiv .«
    Â» Höchstens dreißig und attraktiv passen für mich nicht zusammen«, lacht Emilia.
    Â»Emilia«, sagt Charlotta plötzlich.
    Â»Alleine«, kommt die Antwort fast zu schnell und ein bisschen heiser.
    Das Spiel ist vorbei. Sie sind stumm. Liegen auf dem Boden und gucken durch das offene Fenster in den Himmel.
    Wie aus der Ferne dringen die Geräusche der kleinen Grillparty in die Altbauwohnung. Emilia lässt ihren Blick durch ihr Zimmer schweifen. Schemenhaft sieht sie die Fotos an der Pinnwand: Charlotta und sie. Immer und immer wieder. Ihre Augen tasten langsam jedes einzelne Bild ab.
    Emilias Blick wandert wieder nach draußen in den Sternenhimmel. Sie versucht, eine Linie zu ziehen von Stern zu Stern, versucht Bilder zu erkennen. Es muss eine Lösung geben. Sie erträgt das Gefühl fast nicht mehr. Es ist, als ob ihr Herz in einer Faust läge, die sich immer und immer wieder zusammendrückt. Es auspresst.
    Â»Ich entführe dich wirklich«, sagt sie irgendwann mit leiser, fester Stimme.
    Charlotta hatte die Augen geschlossen, aber Emilia wusste, dass sie nicht eingeschlafen war. Wenn Charlotta schläft, gibt sie einen ganz leisen Pfeifton von sich. Das hört man nur, wenn man ganz dicht neben ihr liegt. Eines der Geheimnisse, das nur die beste Freundin kennt.
    Noch mit geschlossenen Augen dreht Charlotta den Kopf leicht Richtung Freundin. »Und dann willst du mich gefangen halten, bis wir achtzehn sind und selber entscheiden dürfen?«, fragt sie mit einem traurigen Lächeln.
    Â»Bist du wahnsinnig? Das kann ich überhaupt nicht finanzieren bei den Mengen, die du immer verdrückst«, antwortet Emilia. Sie holt tief Luft. »Es wird reichen, wenn du drei, vier Tage von zu Hause weg bist. Das genügt. Deine Eltern werden so eine Angst um dich haben, dass sie dich ihr Lebtag nicht mehr in ein Internat schicken. Sie werden dich nicht wieder loslassen wollen«, erklärt Emilia kühl.
    Charlotta

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