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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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damals gefunden und den Brief … eingesteckt. Niemand außer mir hat ihn jemals gelesen.«
    »Du hast deinen Vater, dieses perverse Schwein, das deine Mutter in den Tod getrieben hat, auch noch geschützt!«, empörte Meike sich. »Wieso? Warum hast du das getan?«
    Zum ersten Mal seit einer Stunde sah Wolfgang sie an. Seine Miene war leer, sein Gesichtsausdruck so benommen und hoffnungslos, dass Meike erschrak.
    »Weil … weil er doch mein Vater war«, flüsterte er. »Ich wollte ihn bewundern, nichts Schlechtes an ihm sehen. Er war … er war genauso, wie ich immer sein wollte, so stark, so selbstsicher. Immer habe ich um seine Anerkennung gebuhlt, habe gehofft, dass er mich eines Tages mögen und respektieren würde. Aber … aber das hat er nie getan. Und jetzt … jetzt ist er tot, und ich kann ihm nicht mehr sagen, dass ich ihn … verachte!«
    Er vergrub das Gesicht in den Händen und begann zu weinen.
    »Ich kann das alles nie mehr gutmachen«, schluchzte er wie ein kleiner Junge. Meike konnte kein Mitleid mit ihm empfinden, nach allem, was er aus Feigheit und Schwäche angerichtet und zugelassen hatte.
    »Doch, das kannst du«, sagte sie.
    »Wie denn? Wie?« Er hob verzweifelt den Kopf, die Tränen strömten über sein unrasiertes Gesicht. »Wie kann ich das alles wiedergutmachen?«
    »Du kannst jetzt mit mir zur Polizei fahren und ihnen alles erzählen, damit sie diese Typen schnappen«, erwiderte Meike. »Das ist das Geringste, was du tun kannst.«
    »Und was passiert dann mit mir? Bin ich nicht mitschuldig?« Das klang weinerlich und selbstmitleidig. Meike verzog das Gesicht und musterte diesen jämmerlichen Schwächling, diesen Feigling voller Abneigung. Was hatte sie an ihm bloß einmal geliebt und bewundert?
    »Darauf solltest du es ankommen lassen«, sagte sie. »Sonst wirst du deines Lebens nicht mehr froh.«
    *
    Christian Kröger bettete das schlafende Kind vorsichtig auf den Rücksitz von Pias Auto. Lilly schlief wie ein Murmeltier, erschöpft vom größten Abenteuer ihres jungen Lebens. Zwischendurch war sie einmal kurz aufgewacht und hatte Pia schlaftrunken gefragt, ob Robbie und Simba jetzt wohl im Hundehimmel seien und was mit den Kindern aus dem Keller passiere. Bevor Pia ihr hatte antworten können, war sie wieder eingeschlafen, und jetzt lag sie da, eingehüllt in eine weiche Fleecedecke, ein kleiner schnarchender Engel.
    »Hoffentlich wird sie nicht für den Rest ihres Lebens traumatisiert sein«, sagte Pia. Christian schloss die Autotür so leise wie möglich.
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte er. »Sie ist ein robustes kleines Ding.«
    Pia seufzte und blickte ihn an.
    »Danke, Christian. Du hast ihr das Leben gerettet.«
    »Tja.« Er zuckte verlegen die Schultern und grinste leicht. »Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich jemals freiwillig in einen Fluss springen würde und das auch noch nachts.«
    »Ich wäre für Lilly in den Grand Canyon gesprungen«, entgegnete Pia. »Es kommt mir so vor, als wäre sie mein eigenes Kind.«
    »Jede Frau hat einen Mutterinstinkt«, behauptete Christian Kröger. »Deshalb ist es für mich nicht begreiflich, wie eine Frau wie Corinna Wiesner so etwas tun und geschehen lassen konnte.«
    »Sie ist krank. Genau wie Helmut Grasser und all diese Pädophilen.«
    Pia lehnte sich an den Kotflügel ihres Autos und zündete sich eine Zigarette an. Es war vorbei. Sie hatten alle drei Fälle gelöst und ein paar alte mit dazu, trotzdem verspürte sie kein Gefühl der Erleichterung und erst recht keinen Stolz. Kilian Rothemund würde rehabilitiert werden und Hanna Herzmann eines Tages vielleicht wieder gesund. Michaela Prinzler hatte die Operation überlebt, und Emma hatte einen Jungen zur Welt gebracht. Pia dachte an Louisa. Sie hatte liebevolle Eltern und war jung genug, um das, was sie erlebt hatte, vergessen zu können. Viele andere Kinder hatten dieses Glück nicht; sie würden mit den Erinnerungen an erlittene Grausamkeiten leben müssen, vielleicht psychisch daran zerbrechen, und es würde sie ihr ganzes Erwachsenenleben hindurch wie ein Schatten begleiten.
    »Fahr nach Hause und versuch, etwas zu schlafen«, sagte Christian.
    »Ja, das werde ich tun.« Pia zog an ihrer Zigarette. »Ich sollte mich freuen, dass wir einen wirklich großen Kinderschänderring zerschlagen können. Aber ich kann es nicht. Kindesmissbrauch wird nie aufhören.«
    »Leider nicht.« Christian nickte. »Wir werden auch nie verhindern können, dass sich Menschen gegenseitig

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