Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
von ihnen kannte seinen Nachnamen, für keines gab es eine Geburtsurkunde – sie existierten offiziell überhaupt nicht. Die beiden Mitarbeiterinnen von Corinna Wiesner saßen bereits in Preungesheim, genau wie Helmut Grasser warteten sie dort darauf, morgen dem Haftrichter vorgeführt zu werden.
Markus Maria Frey war verschwunden. Die Wasserschutzpolizei suchte den Fluss ab, mit dem ersten Tageslicht würden Taucher zum Einsatz kommen, aber es bestand die berechtigte Befürchtung, dass sie nur seine Leiche finden würden.
»Komm, trink erst mal einen Kaffee.« Dr. Nicola Engel, die in ihrem Büro die Stellung gehalten hatte, saß Bodenstein gegenüber am Tisch im Besprechungsraum des K11. »Oder besser noch, fahr nach Hause und mach morgen weiter.«
»Nein.« Bodenstein schüttelte den Kopf. Er hatte mit Corinna Wiesner gesprochen und war selbst erstaunt darüber, dass es noch immer Menschen gab, die ihn zu schockieren vermochten. Die auf den ersten Blick so schöne und freundliche Frau, die selbst vier Kinder geboren hatte, war in Wahrheit ein mitleidsloser, herzloser Kontrollfreak. Die Faszination ihrer eigenen Wichtigkeit und der Macht über andere Menschen war bei ihr zu einer Sucht geworden, doch bei ihr war die Antriebsfeder für ihr Tun – anders als bei Grasser – nicht die Macht über Schwächere, nein, die Kinder waren ihr schlicht gleichgültig gewesen. Ihr hatte es gefallen, diese mächtigen Männer, die ihre perversen Gelüste nicht kontrollieren konnten, zu beherrschen. Mit ihrem scharfen Verstand und ihren organisatorischen Fähigkeiten hatte Corinna Wiesner diesen Verein von Kinderschändern perfekt und effizient geleitet, doch schließlich waren auch ihr und Frey Fehler unterlaufen.
Der erste verhängnisvolle Fehler hatte darin bestanden, dass sie Michaela Prinzler aus den Augen verloren hatten. Trotzdem hatten sie ihr grausiges Geheimnis durch beste Verbindungen zu den richtigen Stellen, durch Erpressung und Einschüchterung noch über lange Jahre wahren können. Den zweiten Fehler hatte Frey begangen, als er bei Oksana die Beherrschung verloren hatte.
Corinna Wiesner hatte die Verantwortung für die Gräueltaten nicht von sich gewiesen, sie war ohne jedes Unrechtsbewusstsein, fest überzeugt von sich und der Richtigkeit ihres Tuns. Uneinsichtig und emotionslos hatte sie für alles, was Bodenstein ihr vorgeworfen hatte, eine Rechtfertigung parat gehabt.
Helmut Grasser hatte erzählt, wie wütend Corinna geworden war, als sie davon erfahren hatte, dass Frey Oksana ertränkt hatte. Sie hatte in ihrem Zorn darüber gedroht, die Geburtstagsfeierlichkeiten abzusagen. Und als sie von ihrer Schwägerin Emma gehört hatte, dass Louisa offenbar missbraucht wurde, hatte sie dem alten Finkbeiner vorgeworfen, sie durch sein Verhalten alle in Gefahr zu bringen. Es war zu einem heftigen Streit zwischen Finkbeiner, Frey und Corinna gekommen, der so weit eskaliert war, dass Frey gegen seine Schwester sogar handgreiflich geworden war.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte Bodenstein zu seiner Chefin. »So, wie es aussieht, haben wir alle Namen des inneren Kreises dieses Kinderschänderrings, und Corinna Wiesner hat mir das eben bestätigt. Ich will noch heute Nacht Haftbefehle beantragen.«
Das war ein Bluff, denn Corinna Wiesner hatte geschwiegen, als er sie mit den Namen konfrontiert hatte, und er wagte zu bezweifeln, dass sie irgendetwas aus ihr herausbekommen würden. Ralf Wiesner hatte überhaupt keinen Ton gesagt. Wenn sie Pech hatten, würden sie nie beweisen können, dass die Leute, die am Donnerstagabend bei Matern gewesen waren, etwas mit dem Kinderschänderring zu tun hatten.
Die Kriminalrätin hob die Augenbrauen.
»Haftbefehle? Gegen wen?«, fragte sie.
Bodenstein schob ihr die Liste hin, die Ostermann angefertigt hatte.
»Ein paar Namen aus dem Ausland fehlen noch, aber wir haben uns schon mit den Kollegen in Holland, Belgien, Österreich, Frankreich und der Schweiz in Verbindung gesetzt. Morgen haben wir alle identifiziert, die sich am Donnerstagabend in der Villa von Matern getroffen haben.«
»Aha.« Dr. Engel überflog die Liste.
»Wir haben ein komplettes Geständnis von Helmut Grasser, und Corinna und Ralf Wiesner und ihre Mitarbeiter werden uns in den nächsten Tagen das hoffentlich bestätigen.« Bodenstein rieb sich mit beiden Händen das Gesicht, dann blickte er auf. »Frey hat das Mädchen getötet, und Grasser hat die Leiche in den Fluss geworfen. Er und Frey haben Hanna
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