Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Oberflächlichkeiten gerissen und vom Schicksal unsanft in die tiefsten Abgründe der Hölle gestoßen worden. Doch sie würden es beide überstehen, sich wieder ans Licht emporarbeiten, aber sie würden das, was ihnen das Leben schenkte, nie mehr für selbstverständlich halten.
»Meike war vorhin bei mir«, krächzte Hanna. »Sie hat mir einen Umschlag da gelassen. Ich habe nicht ganz verstanden, was sie mir gesagt hat. Schau doch mal in der Schublade vom Nachttisch.«
Kilian ließ ihre Hand los und zog die Schublade auf.
»Hier ist der Umschlag«, sagte er.
»Mach du ihn bitte auf«, erwiderte Hanna. Die Schmerzmittel benebelten sie so sehr, dass ihr schon wieder beinahe die Augen zufielen. Kilians Miene veränderte sich bei der Lektüre der Blätter, er runzelte die Stirn.
»Was ist das?«, wollte sie wissen.
»Das sind Fotos von … Autos.« Er ließ es beiläufig klingen, aber Hanna bemerkte trotz ihrer Benommenheit seine plötzliche Anspannung.
»Darf ich mal sehen?« Hanna streckte bittend die Hand aus, und Kilian reichte ihr die Fotos, die mit einem Farbdrucker auf Papier gedruckt waren.
»Das ist vor der Matern-Villa in Oberursel«, stellte Hanna überrascht fest. »Was … was hat das zu bedeuten? Warum hat Meike mir das gegeben?«
»Ich weiß es nicht.« Kilian nahm ihr sanft die Blätter aus den Händen, faltete sie zusammen und schob sie zurück in den Umschlag. »Ich muss jetzt leider gehen, Hanna. Heute Nacht darf ich auf Staatskosten übernachten.«
»Dann muss ich mir wenigstens keine Sorgen um dich machen«, murmelte Hanna. Die Müdigkeit ließ ihre Lider schwer wie Blei werden.
»Kommst du mich morgen wieder besuchen?«
»Natürlich.« Er beugte sich über sie. Seine Lippen berührten ihre, er strich ihr zärtlich über die Wange. »Sobald sie den Haftbefehl gegen mich aufheben und ich wieder frei bin, komme ich zu dir.«
*
Nachdem sie das Krankenhaus verlassen hatte, war Meike ein paar Stunden lang ziellos durch die Gegend gefahren. Sie fühlte sich grenzenlos einsam. Das Haus in Langenhain würde sie nie mehr betreten, nach allem, was dort vorgefallen war, deshalb hatte sie beschlossen, nach Sachsenhausen in die Wohnung ihrer Freundin zu fahren. Hanna ging es noch immer nicht wirklich besser, die Schmerzmittel benebelten sie und machten ein vernünftiges Gespräch mit ihr unmöglich. Dabei gab es so viel, worüber Meike mit ihrer Mutter sprechen musste. Hoffentlich hatte sie wenigstens den Umschlag mit den Fotos an die Bullen weitergegeben.
Meike fuhr am Deutschherrnufer entlang und bog in die Seehofstraße ein. Den Sommerferien sei Dank fand sie einen Parkplatz unweit des Hauses, in dem sich die Wohnung befand. Sie manövrierte den Mini in die Parklücke, schnappte ihren Rucksack und stieg aus. Das Geräusch der Autotür hallte überlaut in der Stille der Nacht, und Meike blickte sich um. Ihr Körper schmerzte von den Schlägen und den Tritten, sie war todmüde, aber gleichzeitig vor Nervosität hellwach. Das, was sie gestern erlebt hatte, würde sie nie mehr loslassen, das wusste sie. Ihr Erlebnis mit dem Kampfhund im Wald war schon schlimm gewesen, aber nichts im Vergleich zu dem, was im Haus ihrer Mutter passiert war. Sie schauderte. Dieser Kerl hätte sie ohne zu zögern umgebracht, das hatte sie in seinen mitleidslosen Augen gesehen. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte sie den Elektroschocker nicht gehabt!
Meike überquerte die Straße und kramte den Haustürschlüssel aus ihrem Rucksack. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung zwischen den geparkten Autos wahr. Die Angst zuckte in ihr empor. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich, der Schweiß brach ihr aus, und sie legte die letzten Meter bis zur Haustür im Laufschritt zurück.
»Verdammt«, flüsterte sie. Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie den Schlüssel nicht ins Schloss brachte. Endlich gelang es ihr, sie stieß die Tür auf und zuckte erschrocken zusammen, als etwas Dunkles an ihr vorbeihuschte. Die Katze von der Oma aus der Erdgeschosswohnung!
Meike knallte die Tür hinter sich zu, lehnte sich erleichtert dagegen und wartete, bis sich ihr Herz einigermaßen beruhigt hatte. Vor ihr lagen nur noch der kleine Hof und die Tür des Hinterhauses, in dem sich die Wohnung befand, dann war sie fürs Erste in Sicherheit. Sie sehnte sich nach einer heißen Dusche und nach vierundzwanzig Stunden Schlaf. Morgen würde sie entscheiden, ob sie nicht doch besser für eine Weile hier verschwand und bei ihrem Vater
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