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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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neuerdings tauchte sie sogar regelmäßig mit potentiellen Mietern auf.
    Im kümmerlichen Lichtschein der 40-Watt-Birne über dem Spiegel rasierte Bodenstein sich mehr schlecht als recht. Tatsächlich war das Haus, das er gestern mit Inka besichtigt hatte, die ganze Nacht in seinen Träumen herum gespukt. Heute Morgen, im Halbschlaf, hatte er es im Geiste eingerichtet. Sophia würde ihr eigenes Zimmer haben und ganz in seiner Nähe wohnen, und er konnte endlich wieder einmal Besuch empfangen. Das Haus in Kelkheim war so gut wie verkauft, nächste Woche war der Notartermin mit den Käufern. Mit der Hälfte des Geldes konnte er sich die Doppelhaushälfte in Ruppertshain sicherlich leisten.
    Draußen polterte es, er hörte Stimmen. Ein zweiter Kaffee brachte seine Lebensgeister in Schwung. Er stellte die Tasse in die Spüle, ergriff sein Jackett und nahm die Autoschlüssel vom Schlüsselbrett neben der Haustür. Auf dem Parkplatz luden Arbeiter der Stadt Kelkheim Absperrgitter von ihren orangefarbenen Lkw und ihm fiel ein, dass heute Abend ein Jazzkonzert im Hof stattfinden sollte. Regelmäßig mietete die Stadt den historischen Gutshof für kulturelle Veranstaltungen, und Bodensteins Eltern kam das Geld nicht ungelegen. Bodenstein schloss die Haustür ab und nickte auf dem Weg zu seinem Auto den Arbeitern zu. Hinter ihm hupte es, er drehte sich um. Marie-Louise, seine tüchtige Schwägerin, hielt neben ihm an.
    »Guten Morgen!«, rief sie forsch. »Ich habe zigmal versucht, dich anzurufen. Rosalie hat eine Einladung zum Concours des Jeunes Chefs Rôtisseurs in Frankfurt bekommen! Eigentlich wollte sie dir das selbst erzählen, aber du bist ja nicht zu erreichen. Was ist mit deinem Handy los?«
    Rosalie, Bodensteins ältere Tochter, hatte sich vor zwei Jahren entschlossen, nach dem Abitur nicht zu studieren, sondern eine Lehre als Köchin zu beginnen. Anfänglich hatten Cosima und er geglaubt, der Hauptgrund für diese Entscheidung sei der Sternekoch, in den Rosalie heimlich verliebt war, und sie hatten damit gerechnet, dass sie nach ein paar Monaten unter der Fuchtel des strengen Franzosen das Handtuch werfen würde. Aber Rosalie hatte Talent und war mit Begeisterung bei der Sache. Ihre Lehre hatte sie mit Bestnoten abgeschlossen. Die Einladung zum Kochwettbewerb der Chaîne des Rôtisseurs war eine großartige Auszeichnung und Anerkennung ihrer Leistung.
    »Ich habe schon den ganzen Morgen keinen Empfang.« Bodenstein hielt sein Smartphone hoch und zuckte die Schultern. »Komisch, eigentlich.«
    »Na, mit den Dingern kenne ich mich auch nicht aus«, sagte Marie-Louise.
    »Ich aber!« Ihr achtjähriger Sohn beugte sich vom Rücksitz aus nach vorne und streckte die Hand aus dem Fenster. »Zeig mal her!«
    Bodenstein reichte seinem jüngsten Neffen mit einem Anflug von Belustigung das Handy, aber das Grinsen verging ihm nach fünf Sekunden.
    »Kann ja nicht gehen. Du hast noch den Flugmodus aktiviert, Onkel Oli«, verkündete der Knirps altklug und wischte auf dem Touchscreen herum. »Sieht man doch an dem Flugzeugsymbol. Hier, jetzt geht’s wieder.«
    »Äh … danke, Jonas«, stammelte Bodenstein.
    Der Junge nickte ihm huldvoll vom Rücksitz aus zu, und Marie-Louise lachte, nicht ohne Schadenfreude.
    »Ruf Rosalie an!«, rief sie und gab Gas.
    Bodenstein kam sich selten dämlich vor. Er war kein Vielflieger und hatte gestern den Flugmodus des iPhone zum ersten Mal überhaupt benutzt und das auch nur, weil sein Sitznachbar im Flugzeug ihm gezeigt hatte, wie das ging. Auf dem Hinflug hatte er das Gerät einfach ausgeschaltet.
    Während er zu seinem Auto ging, produzierte das Telefon eine wahre Kakophonie an Tönen: Dutzende SMS trafen ein, Rückrufbitten, Hinweise auf verpasste Anrufe, dazu klingelte es.
    Pia Kirchhoff! Er nahm das Gespräch an.
    »Guten Morgen, Pia«, sagte er. »Ich habe erst gerade gesehen, dass du gestern versucht hast mich zu erreichen. Ist …«
    »Hast du heute noch nicht die Zeitung gelesen?«, unterbrach sie ihn unhöflich, ein deutliches Indiz dafür, dass sie unter großem Druck stand. »Gestern Abend haben wir ein totes Mädchen aus dem Main an der Eddersheimer Staustufe geborgen. Kommst du heute ins Büro?«
    »Ja, selbstverständlich. Ich bin schon auf dem Weg«, antwortete er und setzte sich ins Auto. Kurz erwog er, Inka vom Auto aus anzurufen, aber dann entschied er sich dafür, ihr am Abend einen Blumenstrauß vorbeizubringen und sich persönlich zu bedanken.
    *
    Das Autofahren wurde

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