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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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von Tag zu Tag beschwerlicher. Wenn das so weiterging, dann würde sie in Kürze mit ihrem dicken Bauch nicht mehr hinter das Lenkrad passen oder mit den Füßen nicht mehr an Gas und Bremse reichen. Emma bog nach links in die Wiesbadener Straße ein und warf einen Blick in den Rückspiegel. Louisa starrte aus dem Fenster. Während der ganzen Fahrt hatte sie noch keinen Mucks von sich gegeben.
    »Hast du noch Bauchweh?«, erkundigte Emma sich besorgt.
    Die Kleine schüttelte den Kopf. Normalerweise plapperte sie wie ein Wasserfall. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Hatte sie Probleme im Kindergarten? Streit mit anderen Kindern?
    Ein paar Minuten später hielt sie vor der Kita und stieg aus. Louisa konnte sich selbst losschnallen und aussteigen und legte großen Wert auf diese Selbständigkeit. In ihrem Zustand war Emma froh, dass sie das Kind nicht aus dem Auto herausheben musste.
    »Was hast du denn?« Vor der Tür der Kita blieb Emma stehen, ging in die Hocke und sah Louisa prüfend an. Sie hatte heute Morgen nur lustlos gegessen und ohne Gegenwehr das grüne T-Shirt angezogen, obwohl sie das eigentlich nicht mochte, weil es angeblich kratzte.
    »Nichts«, erwiderte das Mädchen und wich ihrem Blick aus.
    Es hatte keinen Sinn, das Kind zu bedrängen. Emma nahm sich vor, später mit der Erzieherin zu telefonieren und sie zu bitten, ein Auge auf Louisa zu haben.
    »Na, dann viel Spaß heute, meine Süße«, sagte sie und küsste ihre Tochter auf die Wange. Die erwiderte den Kuss pflichtschuldig und verschwand dann ohne die übliche Begeisterung durch die geöffnete Tür zu ihrer Gruppe.
    Nachdenklich fuhr Emma zurück nach Falkenstein, stellte das Auto ab und beschloss, einen Spaziergang über das weitläufige Grundstück zu machen, auf dem überall verteilt die Gebäude standen, die zur Einrichtung des Vereins Sonnenkinder e. V. gehörten. In der Nähe der Villa ihrer Schwiegereltern befand sich das Herzstück des Ganzen, das Verwaltungsgebäude mit Seminarräumen, Geburtshaus, Kinderkrippe, dem Hort für die kleineren Kinder und der Betreuungseinrichtung für die älteren Kinder, deren Mütter berufstätig waren. Ein Stück entfernt lag das Mutter-und-Kind-Haus, jenes frühere Altersheim. Dann gab es noch verschiedene Gebäude, den Gemüsegarten, Werkstatt, Haustechnik, und am anderen Ende des Parks bildeten die drei Bungalows die äußerste Grenze des riesigen Anwesens.
    Am frühen Morgen war die Luft noch kühl und frisch, und Emma brauchte ein bisschen Bewegung. Sie schlenderte den Weg entlang, der sich im Schatten uralter Eichen, Buchen und Zedern zwischen sorgfältig gemähten sattgrünen Rasenflächen und blühenden Rhododendren zum Verwaltungsgebäude durch den Park schlängelte. Sie mochte die üppige Natur, den Geruch, den der nahe Wald an warmen Sommerabenden ausströmte. Obwohl sie nun seit einem halben Jahr hier lebte, genoss sie den Anblick des vielen Grüns noch immer mit allen Sinnen, ein Labsal für die Augen im Vergleich zu den kargen, trockenen Landschaften, in denen sie in den vergangenen zwanzig Jahren gelebt und gearbeitet hatte. Florian hingegen empfand die provokante Fruchtbarkeit der Natur als verstörend. Erst kürzlich hatte er seinem Vater vorgehalten, die Wasserverschwendung sei geradezu obszön. Josef hatte verstimmt auf den Vorwurf reagiert und erwidert, das Wasser für die Beregnung der Grünflächen stamme aus den Regenwasserzisternen.
    Jedes Gespräch zwischen Florian und seinen Eltern geriet nach wenigen Sätzen zu einer Kontroverse. Aus harmlosen Gesprächen entfachte er unnötige Diskussionen, die meistens damit endeten, dass er aufstand und verschwand.
    Emma war sein Verhalten unangenehm. Sie entdeckte eine rechthaberische und ignorante Seite an ihrem Mann, die ihr nicht gefiel. Er gab es ihr gegenüber nicht zu, aber sie merkte, dass er sich im Haus seiner Eltern, in der Welt seiner Kindheit, überhaupt nicht wohl fühlte. Sie hätte zu gerne verstanden, warum das so war, denn sie empfand ihre Schwiegereltern als freundliche, unaufdringliche Gastgeber, die sich nie in ihre Belange einmischten oder gar unangemeldet in ihrer Wohnung auftauchten.
    »Guten Morgen!«, rief jemand hinter ihr, und sie drehte sich um. Ein bärtiger Mann mit Pferdeschwanz kam mit dem Fahrrad den Weg entlanggeradelt und stoppte nun neben ihr.
    »Hallo, Herr Grasser!« Emma hob grüßend die Hand.
    Ihre Schwiegereltern bezeichneten Helmut Grasser als Hausmeister, aber eigentlich war er viel mehr. Er war

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