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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Zeigefinger klebte. »Jetzt darfst du mich mit Brille sehen.«
    Sie nahm die rechte Linse heraus und warf sie weg. Dann grub sie eine klassische Brille mit runden Gläsern aus und plazierte sie auf ihrer wunderschönen Nase. Um nicht in ein vertrauenvernichtendes schallendes Lachen auszubrechen, konzentrierte er sich darauf, sich über die Hitze zu ärgern.
    Es gelang ihm nicht. Er lachte schallend.
    »Guck mal, was für ein lustiger Vogel«, sagte er und zeigte aus dem Fenster.
    »Erfreut, zu Diensten sein zu können«, sagte sie leicht säuerlich und schob die Brille in die Stirn.
    Sie hatten den jungen Computerexperten Bernhard Andrews aufgesucht. Er hackte sich auf der Jagd nach Lamar Jennings in sämtliche Verzweigungen des Netzes. Vielleicht gäbe es ein Foto. Doch wie erwartet, war er nirgendwo zu finden. Nicht ein einziges kleines Register konnte mit dem geringsten bißchen über Jennings aufwarten; er hatte sich fünfundzwanzig Jahre außerhalb des gesellschaftlichen Kontrollsystems bewegt. Das einzige, was es gab, war seine Geburtsurkunde. Seitdem schien er nicht existiert zu haben.
    Mrs. Wilma Stewarts Versuch, ein Porträt von Lamar Jennings zustande zu bringen, war gründlich gescheitert. Das Bild wuchs auf dem Bildschirm heran. Sie standen da, beugten sich über den mageren Rentnerinnenkörper. Die Frau schüttelte ein übers andere Mal den Kopf. Dickere Lippen. Dünnere Lippen, habe ich gesagt, junger Mann. Hören Sie auf. Dickere Lippen, habe ich gesagt.
    Die Hitze forderte ein weiteres Opfer. Sie klappte vor dem Computer zusammen und versprach, später wiederzukommen und einen neuen Versuch zu starten.
    Schließlich gaben die Spurensicherer das erste abschließend bearbeitete Material aus Lamar Jennings' Wohnung aus der Hand. Es waren die blaß rekonstruierten Reste der Tagebuchseiten. Alle vier griffen sogleich je ihr Exemplar der perfekten Kopien. Schonbauer saß auf Larners Schreibtisch und ließ die Beine baumeln, er trug ein lächerliches Netzhemd, das bei der Hemdenkatastrophe freigelegt worden war. Larner saß auf seinem Stuhl, die Beine auf dem Schreibtisch neben Schonbauer. Jahn & Halm saßen in gebührendem Abstand voneinander auf ihren Besucherstühlen.
    Es waren unzusammenhängende Fragmente, wie Stichworte für eine Lebensgeschichte. Larner hatte vermutlich ganz recht damit, daß sie nur gerade so viel preisgaben, daß die Tiefe seines Schmerzes angedeutet wurde.
    Jedes Fragment enthielt ein kleines Stück Information: »weiß nicht, warum ich schreibe, Beschwörung? Versuche ich, mich zu stoppen, bevor ich dazu komme«
    »ein Grab in der Perfektion der großen Nichtigkeit«
    »die Alte von nebenan wollte mich zum Tee einladen, sagte nein, vielen Dank, hätte sie angespuckt, hätte nicht anders«
    »sie sind so klein, sie wollen nicht verstehen, wie«
    »stärker und stärker. Warum werden sie stärker und st«
    »mitten in der Nacht, Schatten im Kleiderschrank, er steckt fest, unsichtbare Scharniere«
    »reduziert zu niemand, weniger als null, es gibt ein Leben unter Null«
    »im Vorübergehen, die Glut der Zigarette, ich höre schon das Zischen, rieche schon den Gestank, aber den Schmerz kann ich nie voraussehen, nur«
    »19. April. Welche Kraft sie jetzt haben, kann nicht länger widerstehen«
    »Großmutter tot. Jaha. Ein Paket kam. Nur Mist, außer einem Brief. Werde ihn bald lesen. Die Handschrift beunruhigend«
    »der Erdball ein Grab, die Menschen Leichenwürmer, wo ist die Leiche? ist es der tote Gott, den wir uns einverleiben?«
    »eine Treppe aus dem Nichts ins Nichts, wie ein Traum. Kommt jetzt in Blitzen, als wäre es in mir unterwegs, als würde ich einem Ziel entgegengetrieben«
    »nur hingehen, sagen, daß ich krank bin, versuchen, Hilfe zu bekommen«
    »wenn die Bilder eine Erzählung werden können«
    »27. Juli. Was bilde ich mir ein? Es gibt nur eine Hilfe. Die Azteken töteten, um leben zu können. Menschenopfer. Ich«
    »folge dem Schatten, ein Jackenärmel bleibt hängen, eine Tür, eine Treppe«
    »derbriefliegtdaichwarteichkannnichtesgehtnicht«
    »Großmutter tot. Versuche wieder. Großmutter tot. Jaha.«
    »das Licht hinter der Tür wie ein Ikonenrahmen, ein dunkleres Dunkel, muß raus, muß beschwören«
    »die Treppe gerade hinunter, kann nicht folgen, nur Blitze«
    »der Keller der Keller der Keller«
    »son of a bitch, krank, in der Kneipe, Arkaius, Scheißname, gibt an gibt an gibt an, massenhaft Häuser in der ganzen Welt, blase ihm einen, tot wie Stein,

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