Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
wollte?«
    »Korrektes Imperfekt«, sagte Nyberg.
    Norlander parkte himmelschreiend vorschriftswidrig auf dem Kungsbroplan. Durch die Regenkaskaden rannten sie ins nächste Restaurant. Es hieß Zum andalusischen Hund und war so gemütlich, daß sie beinah ihre dringenden Angelegenheiten vergaßen. Norlander machte sich über eine mexikanische Scheißpampe her. Nyberg verdrückte vier gebackene Kartoffeln mit Skagenfüllung.
    »Du könntest ja mal ein bißchen variieren«, meinte Norlander.
    »Das ist Magerkost«, entgegnete Nyberg und schob sich die halbe vierte Portion in den Mund.
    Gegen halb sieben waren sie satt, und in die Autoschlangen war ein wenig Bewegung gekommen.
    »Verdammt, jetzt hat er bestimmt zu«, stieß Norlander hervor und stand auf.
    »Wer?« fragte Nyberg.
    »Der Mister Minit in der Rindögata.«
    »Wir fahren vorbei und versuchen es. Es liegt ja auf dem Weg.«
    Sie fuhren vorbei und versuchten es. Kungsgatan bis Stureplan, Sturegatan bis Valhallavägen, Erik Dahlbergsgatan bis Rindögatan.
    »Lidingövägen wäre besser gewesen«, sagte Nyberg.
    »Hör auf«, sagte Norlander. »Aber ein Schirm wäre nicht schlecht.«
    Es war pechschwarz, wie mitten in der Nacht; dabei war es erst Viertel vor sieben. Am oberen Ende der ansteigenden Rindögata lag der Mister–Minit–Laden. In der kleinen Werkstatt war noch schwaches Licht zu sehen. Sie stürzten hinaus in den strömenden Regen und klopften ans Schaufenster, hinter dem alte Absätze und Schlüssel aus den sechziger Jahren lagen und Staub ansetzten. Ein kleiner Grieche um die Sechzig lugte ängstlich durch die Scheibe. Erschrocken starrte er auf die triefenden und klopfenden nordischen Giganten. Polyphemos, schien er zu denken. Zwei Stück.
    »Polizei«, mimte Norlander und zeigte seinen Ausweis. »Können wir einen Moment reinkommen?«
    Der Grieche öffnete die Tür, machte eine kleine Geste und ließ die beiden Bullenzyklopen an sich vorbei. Auf dem altehrwürdigen Arbeitstisch lag unter einer kleinen schwachen Schuhmacherlampe ein aufgeschlagenes Buch. Der Mann griff danach und hielt es hoch. Es war auf griechisch. »Kennen Sie Konstantin Kavafis ?« fragte er.
    Sie glotzten ihn an.
    »Die moderne griechische Sprache hat noch nie so schön geklungen«, sagte der Grieche und streichelte den Buchdeckel. »Er hat uns wieder auf das Niveau der Alten gehoben. Ich bleibe nach Ladenschluß immer eine Weile sitzen und lese ihn. Ein Gedicht pro Tag hält die Senilität fern. Er war der Onkel meines Großvaters.«
    »Sie sind also Christos Kavafis?« sagte Norlander kurz.
    »Das ist richtig«, antwortete Kavafis. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Vor ein paar Wochen haben Sie einen Schlüssel nach einem Original aus Modelliermasse angefertigt, nicht wahr?«
    Kavafis erbleichte. »Ich dachte, das wäre erledigt«, sagte er und fühlte die Drohung schwerer Mißhandlung im Nacken. Mein Name ist Niemand, schien er zu denken.
    »Jaja, es ist erledigt, keine Sorge. Erzählen Sie.«
    »Ich habe es schon erzählt.«
    »Tun Sie's noch mal.«
    »Ein junger Mann, der englisch mit amerikanischem Akzent sprach, kam herein und wollte einen Schlüssel nach einem Abdruck aus Modelliermasse. Ich wußte, daß es nicht legal war, aber es war eine solche Herausforderung; ich bekomme nicht so viele Herausforderungen in meinem Beruf, also konnte ich es nicht lassen. Dann hatte ich Gewissensbisse und rief die Polizei an, und sie kamen und nahmen mich fest. Ich saß die Nacht über im Gefängnis. Seit dem Bürgerkrieg habe ich nicht eine solche Angst gehabt. Alle meine Erinnerungen kehrten zurück.«
    »Wie sah er aus? Der Amerikaner.«
    Kavafis schüttelte den Kopf. »Es ist so lange her. Alltäglich. Normal. Jung. Ziemlich blond.«
    »Kleidung?«
    »Ich erinnere mich nicht. Graue Jacke, glaube ich. Turnschuhe. Ich weiß nicht.«
    Norlander holte den Schlüssel aus der Tasche und hielt ihn Kavafis vor die Nase. Er ließ sich nicht hypnotisieren. »Ist es dieser Schlüssel?«
    Kavafis nahm ihn und drehte und wendete ihn. »Er kann es sein. So einer war es.«
    »Können Sie morgen zu uns kommen und versuchen, ein Bild von ihm zu machen? Es ist sehr wichtig.«
    Kavafis nickte. Norlander zückte die Brieftasche und angelte eine schmuddelige Visitenkarte daraus hervor, die er dem Griechen gab. Dann verabschiedeten sie sich.
    Kavafis sah nachdenklich aus. »Ich überlege gerade«, sagte er, »ob mir nicht noch etwas anderes einfällt. Er hat mit Zehnkronenmünzen bezahlt. Aus

Weitere Kostenlose Bücher