Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
Der Klan war darum versammelt. Es ging um das Überleben des Stammes. Sie blieben vor dem Anblick des uralten Bildes sitzen, das die Erinnerung an das Blut wachrief.
    Böses Blut kehrt wieder.
    Sie standen auf. Ihre Blicke trafen sich.
    »Danke«, sagte Paul Hjelm, ohne zu wissen, was er meinte.
    Sie bliesen die Flamme aus und gingen gemeinsam die Treppe hinauf.
    Als Paul die Tür zum Schafzimmer öffnete, sagte Danne: »Du warst sehr ... cool heute.«
    »Ich war zu Tode erschrocken.«
    Er fühlte paradoxerweise einen leisen Stolz, als er sich durch das stockfinstere Schlafzimmer tastete. Er sparte sich Waschen und Zähneputzen und kroch direkt ins Bett neben Cilla. Er brauchte ihre Wärme.
    »Was war mit Danne?« murmelte sie.
    »Nichts«, sagte er. Und er meinte es auch.
    »Du bist eiskalt«, sagte sie, ohne von ihm wegzurücken.
    »Wärm mich«, sagte er.
    Sie lag still und wärmte ihn. Er dachte plötzlich an die bevorstehende Amerikareise und all die damit verbundenen Komplikationen. Eigentlich wollte er das Leben so einfach haben wie gerade jetzt. Kinder, über die man sich freuen konnte, und eine Frau, an der man sich wärmen konnte.
    »Ich verschwinde morgen in die USA«, sagte er, um sie ein wenig zu testen.
    »Ja«, sagte sie im Schlaf.
    Er lächelte. Der Regenschirm war zusammengefaltet, und er war trocken. Für den Moment.

20
     
    Arto Söderstedt vermißte die Sonne normalerweise nicht. Er war ein Liebhaber von Nuancen und hatte herausgefunden, daß sich die Art und Weise, wie die Neuzugezogenen Stockholm genossen, in einer Grauzone zwischen der oberflächlichen Faszination der Touristen und dem trägen Gewohnheitsblick der Ureinwohner befand. Die Sonne förderte beide Verhaltensmuster, während das tiefer gehende Genießen der Neuzugezogenen einen gewissen Grad an Bewölkung erforderte, gerade so viel, daß die Farben zu ihrem Recht kamen, ohne von der Sonne ausgelöscht zu werden. Darüber, daß seine Theorie etwas mit seiner Sonnenüberempfindlichkeit zu tun haben könnte, hatte er noch nicht nachgedacht.
    Aber jetzt reichte es mit der Bewölkung. Er stand an einem seiner Lieblingsplätze in der Stadt und sah mit Mühe und Not die Hand vor Augen, keinesfalls aber die Oper auf der einen Seite oder den Palast des Erbfürsten auf der anderen. Darauf steuerte er nun zu, unter seinem affigen Teddy–Regenschirm, den er aus Versehen von zu Hause mitgenommen hatte; er sah die Miene seiner zweitjüngsten Tochter vor sich, wenn sie in ein Meer von Polizeilogos hinaufblickte. Als er die ehrwürdige Treppe hinaufstieg, konnte er nicht umhin zuzugeben, daß er die Sonne wirklich vermißte.
    Er war kein eifersüchtiger Typ, aber es kränkte ihn doch, daß er nicht für die USA–Reise in Frage gekommen war; immerhin war er der Experte für Serienmörder. Statt dessen stapfte er jetzt die ewigen Stufen der Feldarbeit sogar bis zur Rezeption des Außenministeriums hinauf.
    Die Empfangsdame teilte ihm gemessen mit, daß Justine Lindberger krank sei, Eric Lindberger verstorben sei und daß man im gesamten Außenministerium einen Trauertag ausgerufen hatte. Söderstedt unterließ es, ihr zu sagen, daß diese Information überflüssig war, nicht nur, weil er an dem Fall arbeitete, sondern auch, weil er Augen im Kopf hatte. All dies war nämlich von jeder Morgenzeitung und von allen Morgensendungen des Radios verbreitet worden. Nicht einmal ein Schlafwandler hätte es geschafft, nicht mitzubekommen, daß der furchtbare Kentuckymörder nach Schweden gekommen war, ebensowenig die Tatsache, daß die Polizei dies schon seit fast zwei Wochen wußte, ohne ein Wort darüber zu verlieren und den Bürgern die Chance zu geben, sich zu schützen. Söderstedt hatte acht professionelle Meinungsmacher gezählt, die gefordert hatten, die Köpfe der verantwortlichen Polizeibeamten müßten rollen.
    »Haben die Eheleute Lindberger in derselben Abteilung gearbeitet?«
    Die Empfangsdame, eine mißtrauische Frau um die Fünfzig, saß hinter ihrer Glasscheibe und sah aus wie das Werk eines modernen Velazquez, ein durch und durch wirklichkeitsgetreues, aber dennoch ungeheuer boshaftes Abbild einer aussterbenden Klasse. Söderstedt kam trotz allem zu der Ansicht, daß er die aussterbenden den heutigen stromlinienförmigen Exemplaren vorzog. Die Frau blätterte mit deutlich zur Schau getragenem Widerwillen in einem Ordner.
    Nach großer und fast ächzender Mühe antwortete sie: »Ja.«
    Eine sorgfältig überlegte Antwort, dachte Söderstedt

Weitere Kostenlose Bücher