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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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geplatzten Dealerbeobachtungsposten kannte, aber er mag dich nicht, soviel ist sicher. Also zisch ab in die USA. Erzähl Larner von euren KGB–Ideen. Das kommt sicher gut an.«
    »Aber ich kann nicht in die USA fahren«, fuhr Hjelm noch immer im Zustand der Verwirrung fort. »Das Ganze spielt sich doch hier ab.«
    »Wir werden sehen, wie es wird«, sagte Hultin glättend. »Pack auf jeden Fall Papas Koffer. Eine provisorische Arbeitsverteilung für heute abend sieht ungefähr so aus: Paul und Kerstin in die USA, Jorge nimmt Gallano, Gunnar kümmert sich um LinkCoop, Viggo um John Doe und Arto um Lindberger und das Außenministerium. Klingt das akzeptabel?«
    Niemand sagte etwas. Es war mittlerweile auch spät geworden.
    »Noch eins«, sagte Hultin gedämpft. »Wir können die Sache nicht länger vor den Medien geheimhalten. Jetzt geht es los. Man könnte wohl sagen, wir treten in ein anderes gesellschaftliches Klima ein. Die Stimmung wird hochgepeitscht, die Schlagzeilenhetze beginnt. Hunderttausende von neuen Schlössern werden in ganz Schweden angebracht werden, Tausende von Waffen werden vorsichtshalber angeschafft, legal und illegal, und die Wachgesellschaften werden neue Rekordgewinne einfahren. Bis jetzt waren die amerikanischen Serienmörder eine exotische, aber entfernte Bedrohung. Auf einen Schlag kommen wir dem amerikanischen Gesellschaftsklima erschreckend nahe. Der letzte Hauch von relativer Unschuld wird im Tornado des allgemeinen Mißtrauens verschwinden. Niemand wird sich mehr trauen, über seine Schulter zu sehen.«
    Hultin beugte sich über sein Pult nach vorn. »Der Teufel ist hier, meine Damen und Herren, und auch wenn wir ihn fangen, wird kein Exorzist das wieder austreiben können, was er mit ins Land gebracht hat.«

19
     
    Mit einem geliehenen Polizeischirm als einzigem Schutz, aparterweise mit einem ganzen Meer von Polizeilogos bedruckt, wanderte Paul Hjelm durch die Norsborgnacht. Der Regen schien für immer bleiben zu wollen. Das einzige, was die pechschwarzen Nachtwolken zu bieten hatten, war die Vorahnung einer Sintflut, die immer öfter in seinem Bewußtsein auftauchte.
    Was war mit Schweden geschehen? Das kleine Bauernland am Polarkreis, dessen Volksbewegungen einst die erste Demokratie hervorgebracht hatten, die sich wirklich bis tief ins Volk hinein auswirkte, es aber nie befreit hatten, das sich aus den Schrecken des Zweiten Weltkrieges herausgemogelt hatte, kehrte all seine Schandtaten unter den Teppich, bekam fabelhafte Vorteile gegenüber anderen europäischen Ländern und konnte es sich leisten, selbstgerecht als Weltgewissen zu agieren, bis die Länder, die nicht von innerer Trägheit gehemmt waren, es einholten; da war nicht nur Schluß mit dem höchsten Lebensstandard der Welt, sondern auch mit dem Weltgewissen. Eine merkwürdige, naive, deterministische Überzeugung, daß sich alles dennoch immer zum Besten fügt, führte dazu, daß man sich während der achtziger Jahre mehr als irgendein anderes Land dem internationalen Kapital auslieferte und es freier wüten ließ. Der unvermeidliche Zusammenbruch war eigentlich nur eine Fortsetzung des totalen und zielbewußt herbeigeführten Kollapses jeglicher politischen Führung durch die launischen Winde des elektronisch beflügelten Kapitals. Alle mußten für den Knall bezahlen – nur die Unternehmen nicht. Während sich das Land am Rande des Konkurses bewegte, maximierten die Großunternehmen des Landes ihre Gewinne. Die Finanzierung wurde den Privatleuten aufgebürdet, was zu Lasten des Gesundheitswesens, des Bildungswesens, der Kultur ging – zu Lasten alles auf lange Sicht Unabdingbaren. Die kleinste Andeutung, daß die Unternehmen sich vielleicht ganz, ganz minimal daran beteiligen sollten, den Schaden zu bezahlen, den sie angerichtet hatten, rief einstimmige Drohungen hervor, ins Ausland abzuwandern. Die Bevölkerung wurde unisono dazu gezwungen, an Finanzprobleme zu denken. Die schwedische Volksseele wurde von allen Seiten bis zum Bersten mit finanziellen Überlegungen angefüllt, bis nur noch sehr, sehr kleine Räume zu füllen blieben – und darin fand sich meistens nichts anderes als Lotterien, Wetten und Scheißunterhaltung im Fernsehen. Die Liebe wurde durch idealisierte Soaps auf der einen und Kabelfernsehporno auf der anderen Seite ersetzt, der Hunger nach einer Form von Geistigkeit wurde mit schnell verpackten New–Age–Lösungen gesättigt, alle Musik, die die Öffentlichkeit erreichte, war maßgeschneidert

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