Böses Blut
gingen Hand in Hand die Treppen hinauf. Vor seinem Zimmer blieben sie stehen.
»Was sollen wir sagen?« fragte sie. »Sieben?«
Er seufzte leicht und lächelte. »Okay, Frühstück um sieben.«
»Ich klopfe bei dir. Hoffentlich stehst du nicht gerade in der Dusche.«
Er gluckste. Sie gab ihm einen leichten Kuß auf die Wange und ging in ihr Zimmer. Er stand noch ein paar Minuten auf dem Flur.
24
Sie kamen, sahen und siegten. Über den Jetlag, kaum etwas anderes. Ihr Blickfeld war auf erstaunliche Weise geschrumpft und hatte ganz New York ausgeschlossen. Übriggeblieben waren zwei Computer auf einem Schreibtisch.
Das Material war tatsächlich gigantisch. Tausende von Seiten mit imponierendem Detailreichtum bis hin zu Unwesentlichem, zehnseitige Interviews mit Leichenfindern und Nachbarn von Nachbarn, pedantische wissenschaftliche Vergleiche mit früheren und Serienmördern der gleichen Zeit, enorm detaillierte Karten von Fundgebieten, innenpolitische und sozialpolitische Analysen von Professoren, Obduktionsprotokolle, in denen die beginnenden Zahnfleischprobleme und Nierensteinbildungen der Opfer aufgeführt waren, extrem gewissenhaft durchgeführte Tatortuntersuchungen und Ray Larners mühsam zusammengestellte Beschreibung der Aktivitäten von Commando Cool im südostasiatischen Dschungel.
Vielleicht war es nicht der richtige Ansatzpunkt, doch Hjelm vertiefte sich sofort in diese Beschreibung. Wenn Larner die Wahrheit erfahren hatte, was keineswegs sicher war, dann war Commando Cool auf direkte Initiative von Präsident Nixon entstanden, nachdem er Informationen über die Standhaftigkeit der im Feld gefangengenommenen FNL–Soldaten erhalten hatte; sie tendierten dazu, zu sterben, bevor sie sprechen konnten. Was benötigt wurde, war eine kampferprobte, bewegliche kleine Geheimtruppe von Folterern, auch wenn das Wort natürlich nie benutzt wurde. Der Auftrag ging an den militärischen Sicherheitsdienst – und hier hatte Larner eine ganze Reihe von Fragezeichen eingefügt –, der acht Topkräfte, eine jünger als die andere, zusammenzog und die Einheit aufstellte, die in der Schlußphase des Krieges ständig im Einsatz war. Woher die Zangen kamen, war unsicher, Hjelm las CIA zwischen Larners Zeilen. Damit wechselte er zu der höchst geheimen Datei über die Zangen.
Da waren sie, schwarz auf weiß: links eine Fotografie der Stimmbandzange von Commando Cool, rechts eine gezeichnete Rekonstruktion von K.s Zange. Die Funktion beider war im Grunde die gleiche, doch die Unterschiede waren markant. K.s Zange war eine weiterentwickelte, verfeinerte Variante, die eine Art industriellen Veredelungsprozeß durchlaufen zu haben schien. Genaue Beschreibungen der Funktionen folgten, wie die Mikrodrähte sich mit Hilfe einer Miniatursteuerung durch die Kanüle bewegten, in die Kehle eindrangen, mit kleinen Wülsten die Stimmbänder umklammerten und diese außer Funktion setzten; eine leichte Drehung an einem der beiden Rädchen machte es dann möglich, daß ein Flüstern hörbar wurde. Wenn dies herausgedrungen war, brauchte man nur wieder festzudrehen und den Job zu Ende zu bringen, vollkommen lautlos. Die rechte Variante, K.s, war so konzipiert, daß es leichter war, den richtigen Punkt zu treffen. Sie war vom Commando Cool jedoch nie benutzt worden, dieses hatte sich während des ganzen Krieges bis zuletzt an die alte gehalten. Das bedeutete zweierlei: Erstens, daß es nicht sicher war, daß K. ein Mann aus dem Umkreis des Commando Cool sein mußte — es waren ja verschiedene Zangen –, zweitens, daß die grausige Erfindung aus dem Vietnamkrieg weiterentwickelt worden war. Warum? Und von wem? Larners Bericht enthielt keine Hypothesen.
Danach folgte die zweite Zange, eine reine Folterzange, nur dazu gedacht, an den Nervensträngen im Nacken zu zerren und sie zu verdrehen. Auch sie war verändert worden. Man hatte außerdem neue Schmerzpunkte lokalisiert, wodurch der Einsatz der Zange noch effektiver wurde. Auch hier lag eine exakte Beschreibung darüber vor, wie der Schmerz sich verteilte, wie er in Rücken und Schultern wanderte, wie er nach oben stieg, ins Gehirn, wo er explosionsartige Schmerzanfälle auslöste.
Die Pointe war, daß dieselben Zangen in der ersten wie in der zweiten Serie benutzt worden waren; nicht nur gleichartige. Gewisse Besonderheiten bei der Wundenbildung zeigten, daß es sich um exakt dieselbe Zange handelte, und dies wurde zur Begründung der Annahme angeführt, daß es sich um ein
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