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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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weiß, 24 Jahre, wohnhaft in New York; Prostituierte, gefunden im East Village, Manhattan, Todeszeitpunkt 27. Juli 1997.
    20)  Nick Phelps, weiß, 47 Jahre, wohnhaft in New York, arbeitsloser Tischler, gefunden in SoHo, Manhattan, Todeszeitpunkt November 1997.
    21)  Daniel ›Dan the Man‹ Jones, schwarz, 21 Jahre, wohnhaft in New York, Rapper, gefunden in Brooklyn, Todeszeitpunkt März bis April 1998.
    22)  Alice Coley, weiß, 65 Jahre, wohnhaft in Atlantic City, New Jersey, wegen Krankheit vorzeitig pensioniert, gefunden in ihrer Wohnung, Todeszeitpunkt 12. bis 14. Mai 1998.
    23)  Pierre  Fontaine, weiß, französischer Staatsangehöriger, 23 Jahre, wohnhaft in Paris, Tourist, Student, gefunden in Greenwich Village, Manhattan, Todeszeitpunkt 23 ./24. Juli 1998.
    24)  Lars–Erik Hassel, weiß, schwedischer Staatsangehöriger, 58 Jahre, wohnhaft in Stockholm, Literaturkritiker, gefunden auf Flughafen Newark, Todeszeitpunkt 2. September 1998.
    25)  Andreas Gallano, weiß, schwedischer Staatsangehöriger, 42 Jahre, wohnhaft in Alby, Drogenhändler, gefunden in Riala, Todeszeitpunkt 3. bis 6. September 1998.
    26) Eric Lindberger, weiß, schwedischer Staatsangehöriger, 33 Jahre, wohnhaft in Stockholm, Beamter im Außenministerium, gefunden in Lidingö, Todeszeitpunkt 12. September 1998.
    27) Nichtidentifizierter  Weißer,  25–30 Jahre,   gefunden  in Stockholm, Todeszeitpunkt 12. September 1998.
    Kerstin Holm hielt inne. Konnte man wirklich keine anderen Schlüsse aus dieser Liste ziehen, als Larner es getan hatte? Ihr kam der kurze, brutale Verdacht, daß Larner ein doppeltes Spiel spielte.
    Sie ging zu dem psychologischen Profil über. Eine Expertengruppe hatte den Versuch unternommen, die fünfzehnjährige Pause zu erklären. Es war ihr offensichtlich nicht ganz leicht gefallen, hinter den Formulierungen schienen Meinungsverschiedenheiten auf, die man auszugleichen versucht hatte, und das Resultat war faszinierend. Sie fragte sich, warum das Profil nicht in Larners Lieferung nach Schweden enthalten gewesen war.
    Die einleitenden Morde deuteten nach Ansicht der Expertengruppe auf den Haß eines ziemlich jungen Mannes auf die Obrigkeit, personifiziert in älteren, gut ausgebildeten Männern. Der Minderwertigkeitskomplex verkehrt sich in Größenwahn, als es ihm gelingt, die Stimmen zum Schweigen zu bringen, die ihn unten gehalten, ihm vielleicht den Zugang zur Universität verweigert hatten. Die Unerreichbaren werden erreichbar, er kann ihre Stimmen zum Schweigen bringen, sie können unerträglichen Schmerz fühlen, wie auch er ihn gefühlt hat, und er selbst kann darüber bestimmen, wieviel von dem Schmerz zum Ausdruck zu bringen er ihnen erlaubt; er braucht nur an einem Rädchen zu drehen – denn hatten sie sich ihm gegenüber nicht ebenso verhalten, ihm die Möglichkeit zu sprechen verweigert, ihn nur mit einer kleinen Handbewegung von der Ausbildung ferngehalten, die es ihm ermöglicht hätte, sein Leiden zu verstehen und auszudrücken? Sein Verhalten ist eine verzerrte Variante des Auge–um–Auge–Prinzips; die Vergeltung imitiert auf einer anderen Ebene das gleiche, dem er ausgesetzt gewesen zu sein meint. Er erobert die Macht zurück. Die große Anzahl von Toten deutet nicht darauf hin, daß er immer blutdürstiger wird — es kommt nicht zu einer Beschleunigung im eigentlichen Sinne –, sondern sie vermittelt eher einen Eindruck vom Ausmaß der Demütigung, die er erfahren hat. Es sind achtzehn Tote erforderlich, bis er den Kopf über Wasser bekommt und in die menschliche Gemeinschaft eintreten kann. Denn vielleicht verhält es sich eher so, daß der Blutdurst sukzessive abnimmt, er gewinnt sein Gleichgewicht, die Morde haben einen realen therapeutischen Effekt. Er erreicht den Punkt, an dem er glaubt, zwischen der Obrigkeit und sich einen Gleichstand erreicht zu haben, und da kann er aufhören und sich von hier aus hocharbeiten in die Position der Obrigkeit. Das tut er in den fünfzehn Jahren. Er gewinnt eine überlegene Position. Vielleicht hat er eine Ausbildung machen können und eine Chefposition erreicht, aber natürlich hat seine Vergangenheit ihn nicht unversehrt gelassen. Jetzt wird er der Unterdrücker, dazu hat er sich ausgebildet. Und jetzt schlägt er selbst zu gegen die Schwächeren. Der Haß auf die Obrigkeit ist als Neid entlarvt. Er war neidisch auf ihre Macht. Und jetzt ist er derjenige, der zuerst schlägt, derjenige, der das erste Auge aussticht, sich nicht nur rächt.

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