Böses Herz: Thriller (German Edition)
schon umgebracht, habe ich recht?«
Ihr Schreien weckte Emily auf. Sie rührte sich, hob den Kopf und murmelte: »Mommy?«
»Emily!«, rief sie und streckte die Arme nach ihrer Tochter aus.
Doral wich rückwärts zu seinem Wagen zurück. »Tut mir leid, Honor. Aber Coburn hat alles verbockt.«
»Emily!«
Als Emily ihre Mutter hörte, versuchte sie sich aus Dorals Armen zu winden.
»Halt dich still, Emily«, zischte er sie an. »Ich bin’s, Onkel Doral.«
»Ich will zu meiner Mommy!«, heulte sie und begann, ihn mit ihren Fäustchen zu bearbeiten und gegen seine Schenkel zu treten.
Honor rief immer wieder nach ihrer Tochter. Emily schrie ihm ins Ohr.
Schließlich ließ er sie los. Das Kind rutschte auf den Asphalt und rannte auf das Auto zu, direkt vor die grellen Scheinwerfer.
Doral zielte auf Honors Brust.
Aber bevor er abdrücken konnte, knallte ihm etwas so hart gegen den Hinterkopf, dass seine Ohren zu klingeln begannen.
Gleichzeitig erloschen die Scheinwerfer, und die beiden Strahler wurden durch zwei knallrote Kreise vor schwarzem Hintergrund ersetzt.
Er blinzelte wie wild, um wieder etwas zu erkennen, aber er begriff nur, was Coburn von Anfang an geplant hatte. Ihn zu blenden, zu verunsichern, durch Emilys Geschrei abzulenken und ihn dann von hinten anzugreifen. Gerade als er sich umdrehen wollte, prallte der über die Motorhaube hechtende Coburn wie ein Sack Zement auf ihn und schleuderte ihn mit voller Wucht rückwärts zu Boden.
»Polizei!«, rief er noch.
Mit seinem Sprung hatte Coburn ihn zwar kurzfristig außer Gefecht gesetzt, aber Doral hatte sein ganzes Leben gekämpft. Frisches Adrenalin schoss in seine Adern, und sein Instinkt übernahm die Kontrolle. Unwillkürlich riss er die Hand mit der Pistole hoch.
Dann hallte ein Schuss.
Coburn richtete sich mühsam auf.
Weil Coburn die Waffe aufgesetzt hatte, als er Doral in die Brust geschossen hatte, war nicht besonders viel Blut geflossen. Im Tod sah Doral nicht zornig aus, eher verblüfft, so als fragte er sich, wie es möglich war, dass ein so gerissener Fuchs wie er über einen Fußball gestolpert war. Doral war schon immer ein Jäger gewesen. Er hatte immer nur nach vorn geblickt. Und nie daran gedacht, seinen Rücken abzusichern.
»Du hättest von deinem Bruder lernen sollen. Ich verhandle nicht«, flüsterte Coburn.
Er klopfte den Leichnam ab und fand Dorals Handy. Weil er fürchtete, dass es auf mysteriöse Weise verschwinden könnte, wenn die Polizei den Tatort untersuchte, schob er es in seine Hosentasche, bevor er sich ganz aufrichtete und mit langen Schritten zu dem Wagen zurückkehrte, wo Honor auf dem Fahrersitz auf ihn wartete und Emily auf ihrem Schoß wiegte, um sie zu beruhigen.
»Ist mit ihr alles okay?«
»Sie ist schlaff wie ein Putzlappen und schon wieder eingeschlafen. Er muss ihr irgendwas gegeben haben. Ist er …«
»In der Hölle.«
»Er wollte sich nicht ergeben?«
»So ungefähr.« Er wartete eine Sekunde und sagte dann: »Das hast du gut gemacht.«
Sie lächelte zittrig. »Ich hatte solche Angst.«
»Ich auch.«
»Das glaube ich nicht. Du hast vor nichts Angst.«
»Es gibt für alles ein erstes Mal.« In seinen Worten lag eine tiefere Botschaft, die er nicht auszusprechen gewillt war. Aber Honor schien nicht nur die Botschaft zu verstehen, sondern auch, warum er sie nicht aussprechen wollte. Sie sahen sich schweigend an, bis er ihr ruppig befahl: »Du bringst Emily zum Arzt und lässt sie untersuchen.«
Er nahm ihr das Kind aus den Armen und legte es behutsam auf die Rückbank.
»Und was machst du?«, fragte Honor.
»Ich rufe Hamilton an. Er wird genau wissen wollen, was sich hier abgespielt hat. Und er wird wollen, dass ich hier warte, bis seine Leute eintreffen. Dann …«
»Lee Coburn?«
Die ruhige Stimme in seinem Rücken überraschte sie beide. Honor sah an ihm vorbei und riss verwundert die Augen auf. Coburn drehte sich um.
Mit ausdrucksloser Miene drückte die Frau den Abzug durch.
45
C oburn presste die Hände auf den Bauch und sank auf den Asphalt.
Honor schrie auf.
Coburn hörte noch, wie Emily wach wurde und verschlafen nach ihrem Elmo fragte. Aber die Geräusche schienen von einer leuchtenden Nadelspitze am Ende eines unendlich langen Tunnels her zu kommen. Er bemühte sich angestrengt, das Bewusstsein nicht zu verlieren, aber er brauchte dafür all seine Kräfte.
Er war schon zweimal im Leben angeschossen worden. Einmal in die Schulter und einmal in die Wade. Das hier war
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