Böses Herz: Thriller (German Edition)
der eben von einer Schießerei in dieser Gegend gehört hatte. Daraufhin habe ich einen meiner Männer bei ihrem Sohn gelassen und bin so schnell wie möglich hergekommen.«
»Loslassen«, knurrte Coburn den Sanitäter an, der eine Infusion in seinen Unterarm legen wollte. Nach einem kurzen Gerangel hatte er sich durchgesetzt und schob die Hand in die Hosentasche – jener Khakihose, die einst Honors Vater gehört hatte und die jetzt blutdurchtränkt war.
Er zog ein Handy heraus und hielt es so hin, dass Hamilton es sehen konnte. »Das hier hat Doral gehört. Kurz bevor er ausstieg, hat er noch mit jemandem telefoniert.«
Obwohl Coburn nur noch abgehackt und mit ersterbender Stimme sprach, hatte er es geschafft, mit seinem blutverschmierten Daumen das Handy zu bedienen. Er drückte auf einen Eintrag und erklärte: »Er hat den Bookkeeper angerufen.«
Sekunden später drehten sich alle Köpfe Janice VanAllen zu, in deren Jackentasche ein Handy zu läuten begann.
Für Honor vergingen die folgenden anderthalb Stunden wie im Nebel. Nach der überraschenden Erkenntnis, dass Janice VanAllen der Bookkeeper war, hatte Coburn das Bewusstsein verloren und es damit den Sanitätern erheblich leichter gemacht, ihn zu versorgen und in den Rettungshubschrauber zu verfrachten, der inzwischen in der Nähe gelandet war.
Dass Emily das gesamte traumatische Ereignis verschlafen hatte, erschien Honor wie ein Wunder. Andererseits war ein so tiefer Schlaf unnatürlich. Darum wurde das Mädchen mit dem Krankenwagen in die Notaufnahme gebracht.
Honor durfte mit ihr im Wagen fahren, aber sobald sie dort angekommen waren, blieben ihre beharrlichen Bitten, bei ihrer Tochter bleiben zu dürfen, ungehört.
Während Emily von einem Kinderarzt untersucht wurde, warteten Honor und Stan ängstlich, jeder mit einem Becher lauwarmem Kaffee in der Hand, den Stan aus einem Automaten geholt hatte. Zwischen ihnen herrschte eine bis dahin ungekannte Gezwungenheit.
Schließlich sagte er: »Honor, ich muss dich um Verzeihung bitten.«
»Wohl kaum. Nachdem ich dein ganzes Haus verwüstet und dich an einen Stuhl gefesselt habe? Und nachdem Coburn dir dein ›magisches Messer‹ abgenommen hat?«
Er grinste kurz, aber offenbar lag ihm etwas auf der Seele. »Du wolltest mir seine Motive erklären. Ich habe dir nicht zuhören wollen. Ich habe deine Erklärungen vorschnell abgetan.«
»Sie waren auch schwer zu verdauen.«
»Ja, aber ich möchte dich nicht nur für das um Verzeihung bitten, was in den letzten Tagen passiert ist. Seit Eddie gestorben ist«, fuhr er verlegen fort, »habe ich dich ständig kontrolliert. Nein, versuch nicht, das abzustreiten, wir wissen beide, dass es stimmt. Ich hatte Angst, dass du einen anderen Mann kennenlernen, dich in ihn verlieben und wieder heiraten könntest und dass ich damit aus deinem Leben gedrängt werden könnte. Aus deinem Leben und dem von Emily.«
»Dazu wird es niemals kommen, Stan«, belehrte sie ihn sanft. »Du bist unsere Familie. Emily liebt dich. Und ich liebe dich auch.«
»Danke«, sagte er rau.
»Das ist nicht nur so dahingesagt. Ich weiß ehrlich nicht, was ich in den letzten zwei Jahren ohne deine Unterstützung angefangen hätte. Du warst immer für mich da, und ich werde dir nie für all das danken können, was du für uns getan hast.«
»Ich kann manchmal ziemlich autoritär sein.«
Sie antwortete lächelnd: »Manchmal.«
»Ich habe ein paar hässliche Bemerkungen über dein Privatleben gemacht. Das tut mir leid.«
»Natürlich hat es dich getroffen, dass Coburn und ich zusammen waren.«
»Wie gesagt, es geht mich nichts …«
»Nein, lass mich ausreden. Eddie muss schon damals gewusst haben, dass nur ein Liebhaber mein Tattoo entdecken würde, so viel ist mir inzwischen klar. Wer hätte es sonst zu sehen bekommen? Er hat darauf gebaut, dass ich klug entscheiden würde, welcher Mann das sein würde. Eddie wusste, dass er durch und durch integer sein musste, weil ich mich sonst nicht mit ihm einlassen würde.«
Sie verstummte kurz und fuhr dann fort: »Ich habe Eddie geliebt. Das weißt du, Stan. Ich werde ihn bis zu meinem letzten Atemzug im Herzen bewahren. Aber …« Sie griff nach seiner Hand und drückte sie. »Aber ihm darf nicht mein ganzes Leben gehören. Ich muss irgendwann loslassen und wieder zu leben anfangen. So wie du auch.«
Er nickte, brachte aber wohl nicht den Mut auf, etwas zu sagen. Seine Augen waren verdächtig feucht. Es half Honor, seinen festen Körper an
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