Böses Herz: Thriller (German Edition)
war groß und schlank, aber die Muskeln, die sich unter der glatten Haut an seinen Armen abzeichneten, waren straff wie Peitschenschnüre. Über die Handrücken zogen sich dicke Adern. In seinen Kleidern und Haaren hatten sich Zweige, Moosfasern und kleine Blätter verfangen. Er schien das ebenso wenig zu bemerken wie den verkrusteten Schlamm an seinen Stiefeln und seiner Jeans. Er roch nach Sumpf, nach Schweiß und Gefahr.
Im Haus war es so still, dass sie ihn atmen hörte. Und sie hörte ihr Herz schlagen. Er konzentrierte sich ganz und gar auf sie, und das machte ihr höllische Angst.
Ihn zu überwältigen war ein Ding der Unmöglichkeit, vor allem da er nur einen Finger zu krümmen brauchte, um ihr eine Kugel ins Herz zu jagen. Außerdem stand er zwischen ihr und der Schublade, in der sie die Küchenmesser aufbewahrte. Auf der Theke stand die Kaffeekanne, noch halb gefüllt mit ihrem morgendlichen Kaffee, der heiß genug war, um ihn zu verbrühen. Aber um zu der Kanne oder zu den Messern zu gelangen, musste sie an ihm vorbei, und sie wusste nicht, wie sie das anstellen sollte. Sie glaubte nicht, dass sie ihm davonlaufen konnte, aber selbst wenn sie es durch die Tür schaffen und entkommen sollte, konnte sie Emily unmöglich zurücklassen.
Sie musste auf die Macht der Vernunft oder ihre Überredungskünste setzen.
»Ich habe Sie nicht angelogen, oder?«, fragte sie leise und mit bebender Stimme. »Sie können mein Geld haben und meine Wertsachen …«
»Ihr Geld interessiert mich nicht.«
Sie deutete auf die blutenden Schürfwunden an seinen Armen. »Sie sind verletzt. Sie haben eine Kopfwunde. Ich … ich kann Ihnen helfen.«
»Mich verbinden?« Er schnaubte abfällig. »Das wird nicht passieren.«
»Aber was … was wollen Sie dann?«
»Ihre Hilfe.«
»Wobei?«
»Legen Sie die Hände auf den Rücken.«
»Warum?«
Er kam Schritt für Schritt auf sie zu.
Sie wich zurück. »Hören Sie.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Das können Sie nicht machen.«
»Legen Sie die Hände auf den Rücken«, wiederholte er leise, aber mit Nachdruck.
»Bitte.« Sie schluchzte. »Mein kleines Mädchen …«
»Ich werde Sie nicht noch mal darum bitten.« Wieder machte er einen Schritt auf sie zu.
Sie wich wieder zurück und stand im nächsten Moment mit dem Rücken an der Wand.
Mit einem letzten Schritt stand er vor ihr. »Los.«
Instinktiv wollte sie sich wehren, ihn kratzen, schlagen und treten, um das scheinbar Unausweichliche zu verhindern oder wenigstens hinauszuzögern. Aber die Angst um Emily machte sie gefügig, und so schob sie gehorsam die Hände zwischen ihren Rücken und die Wand und faltete sie.
Er beugte sich über sie. Als sie den Kopf zur Seite drehte, legte er eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie so, ihn anzusehen.
Dann flüsterte er: »Sehen Sie, wie leicht ich Ihnen wehtun könnte?«
Sie sah ihm in die Augen und nickte stumpf.
»Okay, ich werde Ihnen nicht wehtun. Und ich verspreche Ihnen, dass ich Ihrem Kind nichts tun werde. Aber Sie müssen alles tun, was ich sage. Okay? Haben Sie das verstanden?«
Vielleicht hätte sie aus seinem Versprechen etwas Trost schöpfen können, selbst wenn sie ihm nicht glaubte. Aber plötzlich begriff sie, wer da vor ihr stand, und erstarrte vor Angst.
Atemlos krächzte sie: »Sie sind … Sie sind der Kerl, der gestern Abend dieses Blutbad angerichtet hat.«
2
C oburn. C-o-b-u-r-n. Vorname Lee, zweiter Vorname unbekannt.«
Sergeant Fred Hawkins vom Tambour Police Department setzte die Polizeimütze ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Schon jetzt war sein Gesicht mit einem fettigen Schweißfilm überzogen, dabei war es noch nicht einmal neun Uhr. Im Geist verfluchte er das Klima hier im Süden von Louisiana. Obwohl er nie woanders gelebt hatte, hatte er sich nie an die schwüle Hitze gewöhnen können, und je älter er wurde, desto mehr machte sie ihm zu schaffen.
Im Moment sprach er über Handy mit dem Sheriff des Nachbarbezirks Terrebonne und setzte ihn über den mehrfachen Mord der letzten Nacht ins Bild. »Gut möglich, dass es ein Deckname ist, aber so steht es auf seinem Angestelltenvertrag, und mehr haben wir bis jetzt nicht. Wir haben Fingerabdrücke von seinem Wagen abgenommen … Ja, das ist wirklich kaum zu glauben. Man sollte meinen, er wäre schleunigst vom Tatort verschwunden, aber sein Wagen steht immer noch auf dem Angestelltenparkplatz. Vielleicht hatte er Angst, dass er damit sofort erwischt würde.
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